Von wegen simple Reptilien: Geckos besitzen eine Form der Selbstwahrnehmung, legen Ergebnisse einer experimentellen Studie nahe. Sie können ihren eigenen Geruch von demjenigen ihrer Artgenossen unterscheiden, geht aus Verhaltensmustern bei „züngelnden“ Geruchstests hervor. Die mögliche Selbsterkennung liefert wiederum Hinweise darauf, dass Intelligenzleistungen und soziale Kommunikationsfähigkeiten bei diesen Tieren bisher unterschätzt wurden, sagen die Wissenschaftler.
„Das bin ich!“ Die Fähigkeit zur Selbsterkennung wird beim Menschen und manchen Tierarten durch den sogenannten Spiegeltest deutlich: Nach anfänglicher Irritation beginnen sie zu begreifen, dass sie keinen Artgenossen sehen, sondern ein Abbild ihrer selbst. Als Beweis dafür gilt die Punktprüfung: Malt man Menschenaffen einen Punkt ins Gesicht, wundern sie sich über den Anblick im Spiegel und berühren die Stelle an sich selbst. Mittlerweile wurden entsprechende Verhaltensweisen auch bei weiteren Tieren festgestellt.
Allerdings bestehen einige – auch als besonders clever geltende Tierarten – den Spiegeltest nicht. Als eine mögliche Erklärung gilt, dass für sie bei der Wahrnehmung von Identitäten andere Sinne eine wichtigere Rolle spielen als das Sehen. So fallen etwa auch Hunde beim Spiegeltest durch. Bestimmte Verhaltensweisen zeigen allerdings deutlich, dass sie ihren eigenen Geruch erkennen können. Ein Punkttest ist zwar nicht möglich, doch zumindest zeigt sich, dass Hunde eine Form der Selbstwahrnehmung besitzen. Vermutlich ist dies auch bei anderen Tierarten der Fall.
Geruchlicher Selbsterkennung auf der Spur
Birgit Szabo und Eva Ringler von der Universität Bern sind dabei nun der Frage nachgegangen, ob sich auch bei Geckos Zeichen einer geruchlichen Selbsterkennung feststellen lassen. Denn auch bei vielen Reptilien spielt der Geruchssinn eine wichtige Rolle im Leben. Es ist bekannt, dass sie ihre Zunge verwenden, um Signalzwecken dienende Chemikalien, sogenannte Pheromone, von anderen Individuen wahrzunehmen. Auch bei Geckos liegt nahe, dass sie beim „Züngeln“ wichtige Informationen aufnehmen – wie etwa über mögliche Geschlechtspartner. Aber können Geckos auch ihren eigenen Duft erkennen?
Um dieser Frage nachzugehen, haben die beiden Forscherinnen Versuche mit in Terrarien gehaltenen Geckos der Art Gekko gecko durchgeführt. Sie präsentierten den Reptilien dazu verschiedene Geruchsproben auf Wattestäbchen. Es handelte sich dabei um Abstriche, die zuvor dem jeweiligen Versuchstier von der Hautoberfläche genommen worden waren, oder von Artgenossen des gleichen Geschlechts stammten sowie um Kontrollgerüche. Bei der Präsentation der unterschiedlichen Wattestäbchen wurde das Verhalten des jeweiligen Versuchstieres aufgezeichnet und analysiert.
Intelligenter und sozialer als gedacht?
Wie Szabo und Ringler erklären, zeigten die Geckos bei ihrem „züngelnden Schnüffeln“ zwei Aspekte: Sie streckten ihre Zunge einerseits in Richtung des Geruchs aus, aber zusätzlich auch immer wieder in andere Richtungen in ihrer direkten Umgebung. Dabei stellten die Forscherinnen nun Besonderheiten bei den unterschiedlichen Geruchsproben fest: Beim Geruch von Artgenossen wurde deutlich häufiger „zum Vergleich“ gezüngelt als beim eigenen. Sie vermuten, dass die Geckos zuerst den Geruch auf dem Tupfer wahrnehmen und dann mit ihrem eigenen Geruch in der direkten Umgebung vergleichen. „Die Geckos taten dies häufiger, wenn sie auf den Geruch eines anderen Geckos stießen, im Gegensatz zu ihrem eigenen. Dies deutet darauf hin, dass sie ihren eigenen Geruch kennen“, erklärt Szabo.
Weitere Versuche zeigten, dass die Tiere auch ähnlich beim Geruch von eigenem oder fremdem Kot reagieren. Mit anderen Worten: Sie erkennen ihre eigenen Geschäftchen und verwenden diese Fähigkeit dazu, sie von den Hinterlassenschaften anderer Geckos in ihrem Lebensraum zu unterscheiden. Dies passt zu dem bekannten Verhalten, dass auch die kleinen Reptilien ähnlich wie viele Säugetiere bestimmte Kot-Ablagestellen nutzen. Offenbar teilen sie damit ebenfalls Artgenossen ihre Anwesenheit mit.
Die Ergebnisse lassen sich zwar nicht mit Spiegeltests gleichsetzen und weitere Untersuchungen sind nötig, um die Fähigkeit zur Selbsterkennung weiter auszuloten. Doch zumindest zeichnen sich bereits komplexe kognitive Leistungen bei diesen oft unterschätzten Tieren ab, sagen die Forscherinnen. „Echsen und Reptilien im Allgemeinen werden als unsoziale Urtiere angesehen. Wir müssen anerkennen, dass Reptilien sozialer und intelligenter sind als angenommen“, so Szabo.
Quelle: Universität Bern, Fachartikel: Animal Cognition, doi: 10.1007/s10071-023-01751-8