Es gilt als eine besondere Fähigkeit einiger hochentwickelter Tierarten. Doch gibt es auch Fische, die den berühmten Spiegeltest bestehen? Wie aus einer Studie hervorgeht, zeigt der Putzerfisch Anzeichen für die Selbsterkenntnis im Spiegel. Die Tiere versuchen demnach Flecken auf ihrem Körper zu entfernen, wenn diese im Spiegelbild sichtbar werden. Inwieweit sie aber ein Ich-Bewusstsein besitzen, bleibt unklar. Denn die Aussagekraft des Spiegeltests zum Nachweis eines Selbst-Bewusstseins bei Tieren ist fragwürdig, sagen die Forscher.
“Was hab ich denn da in meinem Gesicht?” Menschen begreifen etwa ab dem Alter von zwei Jahren die Funktion eines Spiegels. Menschenaffen und einige wenige andere hochentwickelte Tierarten besitzen diese Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung im Spiegel ebenfalls. Als Beweis dafür gilt die sogenannte Punktprüfung: Malt man beispielsweise einem Schimpansen, der mit Spiegeln vertraut ist, einen Punkt ins Gesicht, wundert er sich über den Anblick und berührt an sich selbst die betreffende Stelle. Auch Elefanten machen das mit ihrem Rüssel und bei den Elstern kommt die Kralle zum Einsatz: Die intelligenten Vögel kratzen sich an der markierten Stelle.
Erstaunliches Verhalten vor dem Spiegel
Über vergleichbares Verhalten haben die Forscher um Alex Jordan vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell beim Putzerfisch berichtet (Labroides dimidiatus). Der Name dieser Tiere ist Programm: Sie ernähren sich von Parasiten auf der Haut anderer Fische. Im Rahmen ihrer Studie haben die Biologen ihre Versuchstieren zunächst mit ihrem eigenen Spiegelbild vertraut gemacht. Für den Punkttest markierten sie die Fische dann an einer Stelle des Körpers, die diese nur im Spiegel sehen konnten. Da Fische keine Gliedmaßen besitzen, um den Punkt zu berühren, werteten die Forscher ein spezielles Verhalten als Hinweis für das Bestehen des Punkttests: Wenn die Fische die markierte Stelle an Oberflächen rieben, um die Farbe zu entfernen.
Wie die Forscher berichten, versuchten die Putzerfische tatsächlich auf diese Weise die Flecken auf ihrer Haut loszuwerden. Auch durch die Kontrollexperimente wurde das spezielle Verhalten in Verbindung mit dem Spiegelbild deutlich: Versahen die Forscher die Fische mit Flecken, gaben ihnen jedoch keinen Spiegel, zeigten sie das Abreibe-Verhalten nicht. Außerdem reagierten sie nicht beim Anblick anderer markierter Artgenossen oder auf Flecken direkt auf dem Spiegel. „Durch verschiedene Beobachtungen können wir ausschließen, dass die Fische instinktiv auf an Parasiten erinnernde Markierungen in ihrer Umwelt reagieren. Nur der Anblick von Flecken auf der eigenen Haut stellt folglich für einen Putzerfisch einen Reiz dar, auf den er reagiert. Damit erfüllt das Verhalten der Putzerfische alle Kriterien für einen bestandenen Spiegeltest“, resümiert Jordan.
Ergebnis wirft Fragen auf
Doch belegen die Ergebnisse damit, dass auch Putzerfische ein Bewusstsein für das eigene Selbst besitzen? „Es bleibt bisher unklar, ob man auf der Basis der Ergebnisse darauf schließen kann, dass manche Fische sich ihrer selbst bewusst sind – auch wenn in der Vergangenheit vielen Tieren ein Selbst-Bewusstsein zugeschrieben worden ist, nachdem sie den Spiegeltest bestanden hatten“, sagt Jordan. Dem Verhaltensforscher zufolge ist es möglich, dass auch andere Fähigkeiten zum Bestehen eines Spiegeltests führen können. „Die naheliegende Erklärung ist, dass die Fische zwar den Spiegeltest bestehen, sie sich aber nicht ihrer selbst bewusst sind. Vielmehr erkennen sie ihr Spiegelbild als Abbild des eigenen Körpers, verstehen jedoch nicht, was es bedeutet. Wir müssen also den Spiegeltest kritisch hinterfragen und überlegen, ob er als Standard für den Selbst-Bewusstseins-Nachweis bei Tieren gelten kann“, kommentiert Jordan das Studienergebnis.
Quelle: Max Planck Institute for Ornithology, Fachartikel: PLOS Biology, doi: 10.1371/journal.pbio.3000021