Große Energiereserven und extreme Sparsamkeit lassen Moorkarpfen im Winter unter dem Eis zugefrorener kleiner Seen ohne Sauerstoff überleben: Sobald es kalt wird, lagern sie große Mengen Glykogen im Gehirn ein und können zusätzlich ihren Energieverbrauch auf ein Zehntel reduzieren. Das haben finnische Forscher bei Moorkarpfen, auch Karauschen genannt, beobachtet. Glykogen dient im Körper als Energiereserve bei Sauerstoffmangel und findet sich vor allem in der Leber und in Muskeln. Im Gehirn von Wirbeltieren war bisher nur ein sehr geringer Glykogengehalt bekannt.
Die meisten Wirbeltiere und auch der Mensch überstehen akuten Sauerstoffmangel nur wenige Minuten. Schnell treten Hirnschäden auf und schließlich bricht der Kreislauf zusammen. In den Monaten von Februar bis April sind die finnischen Teiche, in denen die Moorkarpfen leben, durch eine Eis- und Schneedecke von der Sauerstoffzufuhr abgeschnitten. Doch der Moorkarpfen kann diesen extremen Sauerstoffmangel im Gegensatz zu allen anderen Fischarten überleben. Dabei muss der Fisch seine Lebensfunktionen keineswegs komplett herunterregulieren wie andere Tierarten, die Sauerstoffmangel überstehen können. Für die Moorkarpfen bietet diese Überlebensstrategie einen großen Überlebensvorteil, denn die Teiche sind frei von Raubfischen, da diese den Sauerstoffmangel nicht überleben.
Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler die Gehirne von Moorkarpfen im Verlauf eines Jahres. Sobald sich das Wasser der Teiche im Oktober abzukühlen begann, stieg der Gehalt an Glykogen in den Gehirnen der Fische. Aus der Tatsache, dass die Teiche in dieser Zeit noch genügend Sauerstoff besaßen, schließen die Forscher, dass der Auslöser der Glykogenspeicherung nicht der Sauerstoffgehalt ist, sondern die Temperaturveränderung. Der Glykogengehalt erreichte schließlich zu Beginn des größten Sauerstoffmangels im Februar einen 15-mal höheren Wert als im Juli.
Auch im menschlichen Gehirn haben Forscher bereits kleine Mengen von Glykogen nachgewiesen. Die aktuellen Ergebnisse könnten den Wissenschaftlern zufolge daher auch wichtige Hinweise für die Behandlung von akutem Sauerstoffmangel beim Menschen liefern.
Matti Vornanen und Vesa Paajanen (Universität Joensuu, Finnland): American Journal of Physiology ddp/wissenschaft.de ?
Martin Vieweg