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Eishöhlen: Rekordschmelze auch in der Tiefe

Klimawandel

Eishöhlen: Rekordschmelze auch in der Tiefe
Im Rahmen der Studie wurde unter anderem die Eisgruben Eishöhle in Oberösterreich untersucht. © Christoph Spötl

Ähnlich wie bei Gletschern bildet sich auch Eis in manchen Höhlen. Nun haben Forscher erstmals systematisch Massen-Gewinne und -Verluste in österreichischen Eishöhlen über die letzten 2000 Jahre untersucht. Dabei zeichnen sich die Effekte von Kalt- und Warmphasen in der Vergangenheit deutlich ab – und auch die extreme Wirkung des derzeitigen Klimawandels: Der enorme Eisrückgang der letzten Zeit könnte bei einigen Höhlen schon bald zu einem Totalverlust der wertvollen Klimaarchive führen, berichten die Wissenschaftler.

Abgründig, schwer zugänglich und deshalb bisher wenig erforscht: Weltweit sind mehrere tausend eisführende Höhlen bekannt – Österreich zählt dabei zu den Ländern mit der größten Dichte an diesen frostigen Naturwundern. Ihrer Untersuchung widmen sich seit einigen Jahren Forscher der Universitäten Innsbruck und Belfast. Sie konzentrierten sich dabei auf die häufige Kategorie der schachtförmigen Eishöhlen. Ihre Eiskörper bilden sich ähnlich wie bei Gletschern aus festem Niederschlag: Schnee fällt und rutscht im Winter in die Höhle und wird dann in weiterer Folge zu Eis. Wenn sich durch diesen Prozess mehr bildet, als im Sommer abschmilzt, wächst schließlich ein frostiger Körper in der Höhle heran.

Für die aktuelle Studie hat das Team um Tanguy Racine von der Universität Innsbruck Untersuchungen in acht schachtförmigen Eishöhlen in Tirol, der Steiermark, Oberösterreich und Kärnten durchgeführt. „Es gibt bereits Untersuchungen zu einzelnen Eishöhlen. Wir wollten jetzt allerdings erstmals eine vergleichende Analyse erstellen und haben uns deshalb auf die Entwicklung mehrerer Höhlen fokussiert, die sich in vergleichbaren Settings befinden: ähnliche Höhenlage und eine steil bis vertikal abfallende Geometrie“, erklärt Racine.

Datierbare Einschlüsse im Eis

Um das Alter der oft viele Meter dicken Eisschichten in den Höhlen zu bestimmen, konnte das Team die Radiokarbon-Methode einsetzen. „Wir haben uns auf kleinste Einschlüsse von Holz in den Eisschichten konzentriert. Denn das Alter dieser Holzreste, die von außen in die Höhlen gefallen sind, lässt sich genau bestimmen“, erklärt Racine. Insgesamt führten die Wissenschaftler 107 Datierungen von Holz-Einschlüssen durch und kombinierten die Daten dann mit weiteren Untersuchungsergebnissen. Wie sie erklären, zeichnete sich in den Auswertungen ein genaues Bild der Zu- und Abnahme des Eises in den Eishöhlen ab – die sogenannte Massenbilanz. Der Zeitraum reichte dabei bis zu 2000 Jahre in die Vergangenheit zurück.

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Wie die Forscher berichten, verdeutlichten ihre Ergebnisse, dass das Eis der Höhlen ein wertvolles Klimaarchiv darstellt. Sie konnten anhand der datierbaren Einschlüsse im Eis beispielsweise zeigen, dass es während einer bekannten warmen Klimaanomalie zwischen 850 und 1200 n. Chr. zu einem verbreiteten Eisrückzug gekommen war. Für die sogenannte Kleine Eiszeit zwischen 1400 und 1850 n. Chr. konnte das Team außerdem an allen untersuchten Standorten eine positive Eismassenbilanz nachweisen. „Wir können für den Zeitraum der letzten zwei Jahrtausende ein vergleichbares Auf und Ab der Eisentwicklung in Eishöhlen und Gletschern belegen. Für beide ist wesentlich, wie viel Schnee im Winter fällt und wie warm die Sommer sind. Die Ergebnisse zeigen uns auch, dass ein Großteil des unterirdischen Eises in Österreich aus der Kleinen Eiszeit zwischen etwa dem 15. und 19. Jahrhundert stammt“, berichtet Racine.

Extreme Verluste in den letzten Jahrzehnten

Die Ergebnisse verdeutlichen zwar, dass es auch in der Vergangenheit bereits Perioden mit negativen Massenbilanzen gegeben hat – doch das momentane Ausmaß ist beispiellos, betonen die Forscher: „Wir sehen eine Geschwindigkeit des Eisrückgangs, die in keiner Periode in unserem Messzeitraum der letzten 2000 Jahre zu beobachten war“, sagt Racine. „Nicht nur Gletscher zeigen also eine überdurchschnittlich negative Massenbilanz besonders in den letzten Jahrzehnten. Auch das Eis der Eishöhlen ist von den Folgen des Temperaturanstiegs und der rückläufigen Niederschlagsmengen stark betroffen“, so der Wissenschaftler.

Konkret berichten die Forscher beispielsweise im Fall des Kraterschachts im Sengsengebirge Oberösterreichs von einem Verlust der Eisdicke von 20 Metern in 20 Jahren. „Besonders für die mittleren und kleineren Eishöhlen müssen wir davon ausgehen, dass sie in den nächsten Jahren bis Jahrzehnten massiv an Eismasse einbüßen oder sogar gänzlich eisfrei werden“, sagt Racine. Das Forscherteam plant in den kommenden Jahren deshalb, gezielt Eisbohrkerne aus alpinen Eishöhlen zu entnehmen und diese gekühlt zu lagern. So wollen sie die darin gespeicherte wertvolle Klimainformation langfristig für die Wissenschaft bewahren, bevor das Eis der Höhlen sich in Wasser aufgelöst hat. „Die Uhr tickt laut“, so Racine abschließend.

Quelle: Universität Innsbruck, Fachartikel: Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-022-15516-9

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