Wo sich heute karge Trockengebiete erstrecken, florierte vor 80 Millionen Jahren ein üppiges Ökosystem mit charakteristisch „saftigen“ Merkmalen, berichten Forscher: Pflanzenfossilien und geologische Hinweise belegen, dass in der Kreidezeit ausgedehnte tropische Wälder im heutigen Nordostafrika wuchsen, deren Pflanzengesellschaft bereits den heutigen Regenwäldern stark ähnelte. Dies wirft Licht auf die bisher unklare Entstehungsgeschichte dieser bedeutenden Ökosysteme, sagen die Wissenschaftler.
Wo es auf unserem Planeten das ganze Jahr über warm und feucht ist, hat die Natur ihr Potenzial geradezu explosionsartig entfaltet: Geprägt von majestätischen Baumgiganten sowie einer erstaunlich vielfältigen Flora und Fauna, bilden die Regenwälder die artenreichsten Lebensräume auf der Erdoberfläche. Im Laufe der Evolution sind offensichtlich die heute typischen Merkmale dieser Ökosysteme der Tropen entstanden. Doch wie und wann begann diese Entwicklung? „Zu welcher Zeit der Erdgeschichte sich diese Hotspots der Artenvielfalt entwickelt haben, ist in der Wissenschaft umstritten“, sagt Erst-Autor Clément Coiffard von der Freien Universität Berlin.
Seit wann gibt es typische Regenwälder?
Hinweise aus der Entwicklungsgeschichte bestimmter, für heutige Regenwälder typischer Pflanzen lassen zwar vermuten, dass es Formen dieser Ökosysteme schon vor 100 Millionen Jahren gegeben hat. Doch handfeste Belege sind rar: „Bislang wurden keine entsprechenden Fossilbelege identifiziert, die älter als etwa 70 Millionen Jahre sind“, sagt Coiffard. Der „tieferen“ Erforschung der Entwicklungsgeschichte der typischen Regenwald-Ökosysteme haben sich Coiffard und seine Kollegen nun durch Untersuchungen einer umfangreichen Sammlung von fossilem Fundmaterial gewidmet, die im Archiv des Museums für Naturkunde Berlin lagert.
Das Material wurde bereits in den Jahren 1984 und 1987 in der südägyptischen Quseir-Formation gesammelt und bisher nur einer groben Untersuchung unterzogen. Coiffard und seine Kollegen haben die Funde nun erneut detailliert unter die Lupe genommen. Dabei verglichen sie die Merkmale des etwa 80 Millionen Jahre alten Sedimentgesteins mit geologischen Eigenschaften heutiger Ablagerungen unterschiedlicher Ökosysteme. Vor allem untersuchten sie aber den Artenreichtum und die taxonomische Zusammensetzung der Flora anhand der fossilen Spuren von Pflanzen.
Was die geologischen Grundlagen des Fundortes betrifft, erklärt Coiffard: „Die Sedimente der Quseir-Formation sind gekennzeichnet durch feuchte Lebensräume mit einem tropisch warm-feuchten Klima“. Frühere Arbeiten, die sich auf das untersuchte Material konzentrierten, hatten an diesem Standort zwar bereits fossile Pflanzenarten identifiziert. Doch die umfangreichen Befunde der neuen Untersuchung ergeben nun ein viel umfassenderes Bild der kreidezeitlichen Vegetation an dem Standort: „Unsere aktuelle Untersuchung der 21.361 Fossilbelege führte zur Identifizierung von 70 unterscheidbaren Pflanzentypen“, sagt Seniorautor Dieter Uhl vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt.
Charakteristische Befunde
Konkret konnte das Team anhand charakteristischer Feinstrukturen 54 zweikeimblättrige Pflanzenarten, 22 Bedecktsamer, elf einkeimblättrige Gewächse, vier Farnarten und eine Baumart nachweisen. „Wir sehen hier demnach sowohl eine große Vielfalt der Flora als auch eine Zusammensetzung der Vegetation, die derjenigen heutiger Regenwälder ähnelt“, sagt Uhl. Bestimmte Pflanzen waren dabei besonders aussagekräftig, betont der Paläobotaniker: „Beispielsweise fossile Nachweise von Aronstabgewächsen, die wir heute überwiegend in den Tropen finden“.
Wie das Team berichtet, stießen sie auch auf vereinzelte Spuren von fossiler Holzkohle in den Sedimenten – ein Indiz für Brände in dem Gebiet. Dies mag beim Thema „Regenwälder“ seltsam erscheinen. Doch Co-Autor Haytham El-Atfy von der Universität Tübingen erklärt dazu: „Auch aus heutigen Regenwäldern kennen wir Brände. Zudem waren in der Kreidezeit die weltweiten Temperaturen und zeitweise wohl auch der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre deutlich höher als heutzutage, was Feuer begünstigt haben könnte“, so der Wissenschaftler.
Den Forschern zufolge spiegeln sich in den untersuchten Pflanzenfossilien und den sie umgebenden Sedimenten insgesamt alle Eigenschaften wider, die auch in heutigen tropischen Regenwäldern zu finden sind: Es zeichnet sich ab, dass ein tropisches Klima mit Jahresmitteltemperaturen von 26 bis 33 Grad Celsius herrschten, sowie überwiegend feuchte Bedingungen und keine ausgeprägten Jahreszeiten. Zudem besaß das kreidezeitliche Ökosystem offenbar bereits eine charakteristisch vielfältige Flora. „Wir gehen somit davon aus, dass es bereits in der Hochphase der Dinosaurier, vor etwa 80 Millionen Jahren, ausgedehnte tropische Regenwälder im nordöstlichen Afrika gab“, resümiert Coiffard.
Quelle: Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen, Fachartikel: Biogeosciences, doi: https://doi.org/10.5194/bg-20-1145-2023