Eine hohe Biodiversität in Flora und Fauna ist die Grundlage für gut funktionierende Ökosysteme. Wie es um diese Vielfalt bei der weltweiten Vegetation bestellt ist, zeigt nun eine mit KI-gestützten Methoden zusammengestellte Weltkarte der Pflanzendiversität. Sie liefert auch Hinweise darauf, warum die pflanzliche Vielfalt an manchen Orten ausgeprägter ist als an anderen und welche Faktoren dafür besonders prägend sind.
Im Laufe der Evolution haben sich unzählige Pflanzenspezies und Unterarten gebildet – immer mit dem Ziel, perfekt an ihre jeweilige Umgebung angepasst zu sein und sich somit effektiver verbreiten zu können. Ob Baum, Palme oder Gräser – jede Pflanzenart hat sich dabei auf einzigartige Weise entwickelt und musste sich im Laufe der Zeit auch immer wieder neu an Umweltveränderungen oder die Strategien von Konkurrenten oder Fressfeinden anpassen. Es ist also kein Wunder, dass wir nach Jahrmillionen der Evolution auf eine überwältigende Anzahl an Pflanzenspezies blicken können.
Mustererkennung mit KI
Um diesen wichtigen Teil der globalen Biodiversität zu verstehen und erhalten zu können, braucht es detaillierte Karten der Pflanzenvielfalt, die beispielsweise Zusammenhänge zwischen der Artenvielfalt und den Umweltbedingungen herstellen können. Solch eine Kartierung der Diversität der globalen Flora ermöglicht es auch, Veränderungen im Hinblick auf die aktuelle Biodiversitäts- und Klimakrise zu bewerten. Zwar gibt es bereits Listen und Vegetationsplots, die das Vorkommen von verschiedenen Arten protokollieren, doch diese unterscheiden sich stark in Umfang, Präzision und Vollständigkeit, erklären Lirong Cai von der Universität Göttingen und seine Kollegen.
Die Wissenschaftler haben es sich daher zur Aufgabe gemacht, eine globale Karte der Pflanzenvielfalt zu erstellen, die eine Grundlage für groß angelegtes Monitoring der Biodiversität und für die Erforschung des Ursprungs der Pflanzenvielfalt bilden soll. Als Grundlage nutzen sie dafür einen einzigartigen globalen Datensatz von 830 Floren und der Verbreitung von 300.000 Pflanzenarten, die über zehn Jahre hinweg zusammengetragen wurden. Um mögliche Zusammenhänge zu Umweltfaktoren aufzudecken, setzte das Team sogenannte Neuronale Netzwerke ein, die durch maschinelles Lernen in komplexen Beziehungen Muster erkennen und somit den Zusammenhang zwischen Pflanzenvielfalt und Umweltbedingung besser darstellen können als die bisher verwendeten linearen Modelle. Indem Cai und sein Team außerdem die Verwandtschaft der Arten untereinander berücksichtigten, konnten sie die Evolutionsgeschichte der in jeder geografischen Region vorkommenden Pflanzenarten mit einbeziehen.
Wie kann Vielfalt entstehen?
Die Ergebnisse sind vielversprechend: „Die globalen Vorhersagen zeigen in beispielloser Detailtreue und Genauigkeit, wie die Pflanzenvielfalt über unseren Planeten verteilt ist“, berichtet Zweitautor Holger Kreft von der Universität Göttingen. Die gegenwärtigen Klimaeinflüsse erwiesen sich dabei als wichtigste Antriebskräfte für die Pflanzenvielfalt. Ein hohes Vorkommen an Wasser und Sonnenenergie, sowie geringe saisonale Schwankungen des Klimas identifizierte das Modell als förderlich für ein reiches Vorkommen an verschiedenen Pflanzen. Die höchste Pflanzenvielfalt wird dadurch in tropischen Gebieten, wie Mittelamerika, den Anden, Madagaskar, Südchina sowie in einigen mediterranen Regionen wie dem Kap von Afrika und Gebieten rund um das Mittelmeer erreicht.
Aber was macht diese Gebiete neben dem günstigen Klima noch so besonders, dass sie zu regelrechten globalen Zentren der Pflanzendiversität wurden? Laut der Forschenden liegt das an den geologischen Prozessen wie der Gebirgsbildung, die an Orten wie den tropischen Anden, dem ostafrikanischen Hochland oder verschiedenen asiatischen Gebirgen in den letzten Jahrmillionen stattgefunden haben. „Orogene Prozesse verändern ständig die Bodenzusammensetzung, den Nährstoffgehalt und das lokale Klima in Gebirgsregionen. Dadurch entstehen neue und heterogene Lebensräume, in denen sich Pflanzenstämme diversifizieren und sich aus benachbarten Gebieten ansiedeln können“, erklären Cai und seine Kollegen.
Biodiversität im Auge behalten
Die Weltkarte der Pflanzenvielfalt hat aber nicht nur diese Zusammenhänge bestätigt, sie eröffnet auch weitere Möglichkeiten, die weltweite Biodiversität zu bewerten und geeignete Schutzmaßnahmen einzuleiten. „Zu wissen, wo eine bestimmte Anzahl von Arten unter den gegenwärtigen Bedingungen zu erwarten ist, ermöglicht uns, zukünftige Entwicklungen aufgrund von Veränderungen des Klimas und der Landnutzung abzuschätzen sowie die Auswirkungen von Übernutzung und eingeschleppten invasiven Arten zu erkennen“, fasst Seniorautor Patrick Weigelt von der Universität Göttingen zusammen.
Quelle: Georg-August-Universität Göttingen, Fachartikel: New Phytologist, doi: 10.1111/nph.18533