Kakerlaken haben bei Entscheidungen stets das Wohl der Gruppe im Auge: Sie wählen aus mehreren Zufluchtsorten immer denjenigen aus, der ein optimales Gleichgewicht zwischen Schutz und Gruppengröße bietet. Das haben belgische und französische Wissenschaftler in Labortests herausgefunden. Das Verhalten der Insekten lässt sich sehr gut mit einem mathematischen Modell erklären, berichten die Forscher.
José Halloy von der
Universität von Brüssel und seine Kollegen setzten einige Deutsche Schaben (Blattella germanica) in flache Glasschalen mit mehreren identischen Zufluchtsorten. Die Insekten konnten in einem gewählten Unterschlupf bleiben oder ihn verlassen, um nach einem anderen zu suchen. Nach einiger Zeit stabilisierte sich die Anzahl der Tiere in jeder Gruppe, und die Gruppengrößen pendelten sich so ein, dass sie für jedes einzelne Insekt optimalen Schutz boten.
Wurden beispielsweise 50 Schaben in eine Schale mit drei Schutzdächern gesetzt, jeder groß genug für 40 Tiere, sammelten sich 25 Tiere in einem und 25 in einem anderen Unterschlupf. Der letzte Zufluchtsort blieb leer. War nun allerdings jedes der Schutzdächer groß genug für 50 Tiere, sammelten sich alle Schaben unter einem einzigen Dach.
Dieses Verhalten lasse sich durch ein mathematisches Modell voraussagen, erklären die Forscher. Danach kontrollieren zwei Effekte die Entwicklung der Gruppengrößen: der Vorteil für ein Insekt, Teil einer möglichst großen Gruppe zu sein, und die Gefahr, zu einem bereits vollen Zufluchtsort keinen Zugang mehr zu erhalten. Dies führt schließlich zu einem für jedes Tier optimalen Ergebnis, obwohl kein Leittier das Verhalten der Insekten steuert und sie ihre Umgebung nicht vollständig kennen. Höchstwahrscheinlich finde man ähnliche Beispiele auch bei anderen Tieren wie Fischen, Ameisen und einigen Wirbeltieren, sagen die Forscher.
José Halloy (Universität von Brüssel) et al.: PNAS, Online-Vorabveröffentlichung, doi 10.1073/pnas.0507877103 ddp/wissenschaft.de ? Andrea Boller