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Ein „Urahn-Wesen“ im Visier

Evolution der Wirbeltiere

Ein „Urahn-Wesen“ im Visier
Die Yunnanozoen aus dem Kambrium wiesen offenbar ein Merkmal auf, das sie mit den Wirbeltieren verbindet: ein Rachenskelett aus Zellknorpel. Künstlerische Darstellung © Dinghua Yan

Was stand am Anfang der Entwicklung, die zu den Lebewesen führte, zu denen auch wir gehören? Licht auf die frühe Evolutionsgeschichte der Wirbeltiere werfen nun neue Untersuchungsergebnisse zu einem mysteriösen Meeresbewohner des Kambriums: Forscher haben bei etwa 518 Millionen Jahre alten Fossilien von Yunnanozoon Merkmale aufgedeckt, die diese Wesen als die nun ältesten bekannten Vertreter der Gruppe erscheinen lassen, aus denen sich die Wirbeltiere entwickelt haben.

Es bildete sich ein kleiner Trieb, der immer kräftiger wurde und sich schließlich reich verzweigte: Das Leben auf unserem Planeten wuchs wie ein Baum heran, heißt es. Zunächst entstanden dabei aus Mikroben mehrzellige Organismen, dann erschienen die ersten Tiere auf der Bühne der Evolution, die anschließend immer komplexere Formen hervorbrachten. So entstanden auch die grundlegenden Entwicklungslinien, denen sich die heutigen Tiere noch immer zuordnen lassen. Die Wirbeltiere, zu denen die Fische, Amphibien, Reptilien, Vögel und Säugetiere gehören, zeichnen dabei Merkmale wie eine Wirbelsäule und ein Schädel aus. Man geht davon aus, dass die Wirbeltiere einst aus wirbellosen Ahnen hervorgegangen sind, bei denen sich sukzessive die Grundlagen dieser Körpereigenschaften gebildet haben.

Kontroverse um kambrische Wesen

Wie dies genau abgelaufen ist und wie die ersten Vertreter dieser Entwicklungsgeschichte ausgesehen haben könnten, bleibt allerdings eine spannende Frage der Wissenschaft. Ein wichtiger Aspekt ist dabei, welche bekannten fossilen Wesen die ältesten sein könnten, die sich mit der Evolution der Wirbeltiere deutlich verknüpfen lassen. In diesem Zusammenhang gibt es bereits seit etwa 30 Jahren unter Paläontologen eine Kontroverse über seltsame Meerestiere, deren Fossilien in der Provinz Yunnan in China gefunden wurden.

Diese Yunnanozoen genannten Wesen wurden auf ein Alter von etwa 518 Millionen Jahren datiert. Sie besaßen wurmartige Merkmale, es zeichneten sich aber auch Strukturen ab, die einige Wissenschaftler als Urformen der sogenannten Kiemenbögen interpretierten. Es handelt sich dabei um anatomische Besonderheiten, die bei Wirbeltieren Muskeln, Knochen und Bindegewebe von Teilen des Gesichts und des Halses bilden. Wie die Strukturen der Yunnanozoen allerdings genau zuzuordnen sind, blieb bisher umstritten.

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Nun präsentieren die Forscher um Qinqyi Tian von der Universität Nanjing Untersuchungsergebnisse von neu entdeckten Yunnanozoen-Fossilien. Wie sie erklären, weisen die insgesamt 127 Exemplare erstaunlich gut erhaltene kohlenstoffhaltige Rückstände auf, die es ihnen erlaubten, bisher nicht mögliche strukturelle Untersuchungen und detaillierte geochemische Analysen der einstigen Körperstrukturen der Yunnanozoen durchzuführen. Zum Einsatz kamen dabei verschiedene moderne Analysemethoden, darunter Röntgenmikrotomographie sowie Raster- und Transmissionselektronenmikroskopie.

Basale Stellung im Stammbaum betätigt

So konnten die Forscher bestätigen, dass Yunnanozoen zelluläre Knorpelstrukturen im Rachen besaßen, die eine Art Rachenskelett ausbildeten. Konkret stellten sie fest, dass es sieben Bögen gab, die von einer extrazellulären Matrix aus sogenannten Mikrofibrillen geprägt waren. Alle diese Einheiten wiesen dabei spezielle Untersegmente und Anhängsel auf. Die benachbarten Bögen waren durch dorsale und ventrale horizontale Stäbe miteinander verbunden und bildeten so eine Art Korb aus. Den Wissenschaftlern zufolge gilt diese Kombination von Geweben und Strukturen als ein charakteristisches Merkmal der Wirbeltiere: Ein korbartiges Rachenskelett ist auch heute noch bei den als urtümlich geltenden kieferlosen Fischen wie Neunaugen und Schleimaalen zu finden, erklären Tian und seine Kollegen.

Die neuen anatomischen Entdeckungen stützen damit die evolutionäre Einordnung der Yunnanozoen in den sehr basalen Teil des Lebensbaums der Wirbeltiere, resümieren die Wissenschaftler. Mit ihrem Alter von etwa 518 Millionen Jahren repräsentieren sie demnach nun die ältesten bisher bekannten Wesen, die sich deutlich der stammbildenden Gruppe zuordnen lassen, aus der die Wirbeltiere – und letztlich auch wir – hervorgegangen sind.

Quelle: Nanjing Institute of Geology and Paleontology, Chinese Academy of Sciences, Fachartikel: Science, doi: 10.1126/science.abm2708

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