Ja, Sie haben Glück, es geht gerade noch. Die Wochenstuben werden allmählich aufgelöst …
Wochenstuben?
Das sind die Orte, wo wir Weibchen unsere Jungen zur Welt bringen und aufziehen. Wir machen das immer im Heizkeller einer Schule, hier in der Stadt. Da ist es warm und ruhig, alle Frauen beieinander, tolle Stimmung. Und wir haben genug Zeit und Platz, um den Kleinen das Fliegen und den Umgang mit dem Echolot beizubringen. Na, und jetzt sind die Bälger so langsam aus dem Gröbsten raus. Als Nächstes ist erstmal Paarung angesagt, und dann geht’s ab ins Winterquartier.
Haben Sie denn schon eins?
Ja, wir gehen immer in einen alten Stollen Richtung Dresdner Heide. Da wird’s nie kälter als fünf Grad. Schön feucht ist er auch, die Wände sind so rau, dass man sich gut dranhängen kann, und die Menschen sind durch Gitter ausgesperrt. Optimal.
Sie sind eine der seltensten Fledermausarten in Deutschland …
Stimmt, es gibt nur rund 1700 von uns, die meisten davon in Süddeutschland; wir hier in Sachsen sind der nordöstlichste Vorposten.
… und stark gefährdet.
Ja, leider. Wir haben die Gefährdungsstufe 1 auf der Roten Liste: “vom Aussterben bedroht”.
Jedenfalls sind Sie zurzeit in aller Munde. Sie haben geschafft, was weder Bürgerinitiativen noch Architekturkritikern noch der UNESCO gelang: den Bau der umstrittenen Waldschlösschenbrücke zu verhindern. Es gibt sogar schon T-Shirts mit Ihrem Konterfei.
Na ja, geschafft haben das natürlich in Wahrheit die Umweltverbände, die den Antrag eingereicht haben. Das Verwaltungsgericht Dresden ist ihrer Ansicht
gefolgt, dass im Planfeststellungsverfahren die Gefahr für uns Kleine Hufeisennasen nicht ausreichend untersucht worden ist.
Wäre denn die Brücke überhaupt eine Gefahr für die Fledermäuse?
Das ist ja das Verrückte: Man weiß es nicht! Wir wissen es selbst nicht. Ich habe nicht den Überblick, wie viele von uns da in der Gegend ihre Tagesquartiere haben. Das Gericht hat auch nicht behauptet, dass die Brücke eine Gefahr für uns wäre; es hat nur bemängelt, dass diese Frage im Vorhinein nicht ausreichend untersucht worden ist.
Wie gefällt Ihnen denn überhaupt die Brücke, so wie sie geplant ist?
Also, im Prinzip finden wir es ja gut, wenn einer was baut. Wir lieben Gebäude aller Art, besonders wenn sie verschachtelt und verwinkelt sind. Aber das Ding ist einfach hässlich. Diese lange, aufgeständerte Trasse quer über die ganzen Elbwiesen – brutal! Und dann der Tunnelausgang am Hang, wo man aus dem geplanten Tunnel von der Stauffenbergallee rauskommt und auf die Brücke zufährt … puh! Schön ist was anderes. Ist halt nicht der beste Standort für eine Brücke: an der breitesten Stelle des Tals! Und der Blick auf die Stadt ist natürlich auch futsch.
Manche Architekten schlagen statt der Brücke einen Tunnel vor.
Ein Tunnel? Interessante Idee! Mit Höhlen für Fledermäuse? Das wär natürlich fein.
Wir werden es anregen.
GESPRÄCH: MARTIN RASPER