Die Dinosaurier und Flugsaurier repräsentieren einige der größten Tiere der Erdgeschichte. Doch nun belegt ein in Madagaskar gefundenes Fossil, dass die Vorfahren dieser beiden prominenten Sauriergruppen wahrscheinlich ziemliche Winzlinge waren. Der vor 237 Millionen Jahren lebende Saurier Kongonaphon kely wurde nur zehn Zentimeter groß und ernährte sich wahrscheinlich von frühen Insekten, wie Paläontologen berichten. Möglicherweise konnten diese Vorgänger der Dinosaurier und Pterosaurier so eine ökologische Nische besetzen, die sie vor Konkurrenz durch größere Reptilien schützten. Dies könnte die spätere Ausbreitung der beiden großen Sauriergruppen ermöglicht haben.
“Die Reptilien des Erdmittelalters sind für ihre bemerkenswerte Größe bekannt: Dinosaurier umfassen die größten bekannte Tiere überhaupt und ihre Verwandten, die Pterosaurier, sind die größten Tiere, die sich jemals in die Luft erhoben”, erklären Christian Kammerer vom North Carolina Museum of Natural Sciences in Raleigh und seine Kollegen. Weit weniger bekannt ist allerdings, wie die gemeinsamen Vorfahren dieser Sauriergruppen aussahen. Denn von den wahrscheinlich ab der frühen Trias vor rund 250 Millionen Jahren lebenden Vorformen sind kaum Fossilien erhalten. Aus den wenigen Funden schlossen Paläontologen aber bisher, dass die direkten Vorfahren der Dinosaurier und Pterosaurier kaum kleiner gewesen sind als die vor und nach ihnen lebenden Saurierformen.
Ein zehn Zentimeter großer Insektenfresser
Doch ein 1998 im Südwesten von Madagaskar entdecktes Fossil widerspricht dieser Annahme nun. Nachdem das Fossil jahrzehntelang unerkannt inmitten hunderter anderer Knochen herumlag, haben Kammerer und sein Team es nun näher untersucht und einer Art zugeordnet. Dabei zeigte sich: Das rund 237 Millionen Jahre alte Skelett stammt von einem Wesen, das zu den unmittelbaren Vorfahren der Dinosaurier und Flugsaurier gehört haben muss. Es steht damit nahe der Basis dieser als Ornithodira zusammengefassten Saurier. “Aber dieses neue Tier ist erstaunlich klein”, so Kammerer. Aufgerichtet ist dieser Mini-Saurier nur rund zehn Zentimeter hoch. Er gehört damit zu den kleinsten bisher bekannten Vertretern dieser Sauriergruppe. Das Kongonaphon kely getaufte Reptil ist zwar nicht der erste ungewöhnlich kleine Vertreter der frühen Ornithodira, bisher galten diese Formen aber eher als isolierte Ausnahmen, wie die Paläontologen erklären. Der aktuelle Fund jedoch legte nahe, dass dies ein Irrtum sein könnte.
Um dies zu überprüfen, haben Kammerer und sein Team Kongonaphon und weitere Saurier-Fossilfunde aus der mittleren und späten Trias einer Stammbaumanalyse unterzogen. Dabei bestätigte sich, dass die frühesten Vertreter der Ornithodira offenbar deutlich kleiner gewesen sein müssen als bislang angenommen. “Die Analyse der Körpergrößen deutet darauf hin, dass es ein ausgeprägtes Miniaturisierungs-Ereignis bei den gemeinsamen Vorfahren der Dinosaurier und Pterosaurier gegeben hat”, berichten die Forscher. Parallel zu diesem starken Schrumpfen der Körpergröße könnten die ersten Ornithodira auch eine neue ökologische Nische für sich erobert haben. Denn die Form und Abnutzungsmuster der Zähne von Kongonaphon sprechen dafür, dass sich dieser Mini-Saurier von Insekten und anderen Arthropoden mit harten Panzern ernährte. Diese Strategie könnte diesen Sauriern geholfen haben, sich der Konkurrenz durch die größeren Archosaurier anderer Reptiliengruppen zu entziehen und sich in ihrer Nische ungestört weiterzuentwickeln.
Günstige Voraussetzung fürs Fliegen
Wie Kammerer und sein Team berichten, könnte die Miniaturisierung dieser Tiergruppe auch dabei geholfen haben, entscheidende Merkmale der Dinosaurier und Pterosaurier zu entwickeln. “Eine geringe Körpergröße scheint eine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung des Fluges bei Wirbeltieren zu sein”, sagen die Paläontologen. “Die kleinen Vorfahren könnten daher den Pterosauriern, den ersten Wirbeltieren, die zu aktivem Flug fähig waren, diese Entwicklung erleichtert haben.” Zudem belegt das Fossil von Kongonaphon kely, dass schon dieser frühe Vertreter der Ornithodira keine Schuppen mehr besaß, sondern ein feines, fädiges Haarkleid. Dieses schützte ihn wahrscheinlich vor dem Auskühlen im wechselhaften Klima der Trias, weil kleine Tiere besonders schnell an Wärme verlieren. Diese ursprünglich zur Thermoregulation entwickelte Körperbehaarung blieb dann bei seinen Nachfahren erhalten und könnte erklären, warum viele Pterosaurier und Dinosaurier ebenfalls Haare oder die aus ihnen entstandenen Federn besaßen.
Die extreme Miniaturisierung könnte auch eine Erklärung dafür bieten, warum so wenig Fossilien von den letzten gemeinsamen Vorfahren der Dinosaurier und Pterosaurier erhalten geblieben sind: Ihre Skelette waren einfach zu klein und fragil, um die Jahrmillionen zu überstehen. “In diesem Zusammenhang ist es auffallend, dass die meisten bisher bekannten frühen Ornithoria aus der Los Chanares Formation in Argentinien stammen – einer Lagerstätte, die vorwiegend kleine Tiere erhalten hat”, konstatieren Kammerer und seine Kollegen. Sie gehen davon aus, dass diese kleinen Vorfahren der Dinosaurier und Pterosaurier in der frühen und mittleren Trias wahrscheinlich weit häufiger waren als es die wenigen Funde bisher nahelegten – auch in Europa, wo bislang noch keine Fossilien dieser Gruppe gefunden wurden.
Quelle: Christian Kammerer (North Carolina Museum of Natural Sciences, Raleigh) et al., Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.1916631117