Wenn kleine Kinder etwas Neues lernen, orientieren sie sich eher an Erwachsenen als an Gleichaltrigen. Das gilt vor allem dann, wenn es um feste Regeln geht, haben Wissenschaftler aus Leipzig jetzt anhand eines fiktiven Spiels gezeigt. Das Vertrauen in die Erwachsenen ist dabei so groß, dass die Kleinen sogar korrigierend eingreifen, wenn sie beobachten, dass jemand anderen Anweisungen folgt. Offenbar akzeptieren kleine Kinder also das Verhalten eines Erwachsenen als richtig und betrachten es als etwas, dem es in jedem Fall zu folgen gilt, schließen die Forscher daraus. Sie empfehlen, diesen Zusammenhang im Umgang mit Kindern nicht zu vergessen, um nicht versehentlich ein schlechtes Beispiel zu liefern.
Die 44 kleinen Probanden im Alter von drei und vier Jahren sahen sich für die Studie ein Video an, auf dem entweder ein Junge oder ein Mann über die richtige Art zu “daxen” sprach, ein von den Forschern ausgedachtes Spiel. Anschließend sollten die Kinder dann selbst daxen, während die Wissenschaftler sie beobachteten. In einem weiteren Studienteil erklärte eine Puppe den Kleinen, sie wäre jetzt an der Reihe, zu daxen. In der Hälfte der Fälle folgte die Puppe dann den Regeln, die der Mann im Video erklärt hatte, in der anderen Hälfte benutzte sie die Vorgaben des Jungen.
Die Kinder imitierten sehr viel häufiger die Dax-Variante, die der Erwachsene vorgegeben hatte, beobachteten die Forscher. Diese Vorliebe für Anweisungen von Erwachsenen prägte auch ihren Umgang mit anderen: Sie protestierten deutlich, wenn die Puppe nicht den Erwachsenen-Regeln folgte, und versuchten, ihr die “richtige” Methode des Daxens beizubringen.
Schon sehr junge Kinder scheinen demnach selektiv Informationen abzuspeichern. “Die Ergebnisse legen nahe, dass Kinder es vorziehen, von Erwachsenen zu lernen als von anderen Kindern, wenn es um regelgeleitete Aktivitäten wie ein neues Spiel geht”, erläutert Studienleiter Hannes Rakoczy vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. “Sie erwarten auch, dass andere Leute so lernen und Dinge so ausführen, wie es die Erwachsenen tun.” Offenbar bewerten die Kleinen also das von den Erwachsenen gezeigte Prinzip nicht nur als das bessere, sondern sogar als das grundsätzlich richtige und speichern es als eine Art Standard ab. Solche Lernprinzipien zu kennen, könne in Zukunft helfen, die Entwicklung von Kindern besser zu verstehen, speziell die der sozialen Kompetenzen, so die Forscher.
Hannes Rakoczy (Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig) et al.: The British Journal of Developmental Psychology, Online-Vorabveröffentlichung, doi: 10.1348/026151009X479178 ddp/wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel