Haie, Seekatzen und Rochen gehören zu den evolutionär ältesten Fischen in unseren Meeren – es gab sie schon lange vor dem Zeitalter der Dinosaurier. Doch jetzt sind viele dieser Knorpelfische akut bedroht. Eine neue Liste zeigt, welche 50 Vertreter dieser Tierklasse besonders gefährdet und wichtig sind. Denn mit ihnen drohen einzigartige Wesen und Millionen Jahre der Evolution für immer zu verschwinden.
Im Gegensatz zu Kabeljau, Lachs und Co besitzen Knorpelfische keine Gräten aus Knochenmaterial, sondern ihr Skelett ist aus Knorpel aufgebaut. Schon vor rund 400 Millionen Jahren entwickelte die Natur die ersten Vertreter dieser Klasse – unter ihnen die Vorfahren der heutigen Haie. “Haie, Rochen und Seekatzen gibt es schon seit vor dem Zeitalter der Dinosaurier”, erklärt Fran Cabada vom EDGE-Projekt. “Sie finden sich in fast allen aquatischen Umgebungen und viele von ihnen sind Top-prädatoren – sie stehen an der Spitze ihrer Nahrungsnetze und sind damit entscheidend für funktionierende Ökosysteme.”
Evolutionär alt und einzigartig
Doch den Knorpelfischen geht es schlecht. Vor allem die Fischerei, aber auch der Verluste von Lebensräumen lässt ihre Bestände schrumpfen, viele Arten stehen am Rand der Ausrottung. Welche dieser einzigartigen Fischspezies besonders gefährdet sind und wie effektiv bisherige Versuche zur Erhaltung dieser Arten laufen, haben die Forscher de EDGE-projekts nun in einer Liste zusammengetragen. Sie umfasst die 50 evolutionär besonders wertvollen und global gefährdeten Haie, Rochen und Meerkatzen.
“Die EDGE-Liste umfasst einige der interessantesten und einzigartigsten Fische, die wir auf diesem Planeten haben”, sagt Matthew Gollock von der Zoological Society of London. “Wenn wir nur eine einzige Spezies auf dieser Liste ausrotten, verlieren wir auf einen Schlag Millionen Jahre der Evolutionsgeschichte.” Denn: Viele der heutigen Vertreter der Haie, Rochen und Seekatzen stellen die letzten Vertreter ihrer Stammeslinien dar. Verschwinden sie, gibt es kaum noch enge Verwandte, die ihre Position im Gefüge des Lebens übernehmen können.
Sägefische, Meerengel und Gitarrenfisch
An erster Stelle der EDGE-Liste steht der Gemeine Sägefisch (Pristis pristis). Diese bis zu sechs Meter langen Fische tragen als auffallendstes Merkmal eine sägeartig nach vorn verlängerte Schnauze mit Zähnen an den Seiten. Normalerweise können diese Fische bis zu 30 Jahre alt werden, doch das schaffen heute nur noch die wenigsten: Wegen ihrer Flossen, der Haut und ihres “Sägeblatts” hochbegehrt, werden viele dieser Sägefische gefangen und getötet. Ähnlich bedroht sind weitere drei Sägefischarten, die die Ränge zwei bis vier in der EDGE-Liste belegen.
Aber auch zahlreiche Haiarten, vom Meerengel (Squatina squatina) bis zum Natal-Katzenhai (Haploblepharus kistnasamyi), sind als besonders gefährdet aufgeführt. Viele von ihnen werden wegen ihrer Flossen oder ihres Fleisches gefangen, andere enden als Beifang in den Netzen. Durch die Überfischung vieler Meeresgebiete fängt ihnen der Menschen zudem das Futter weg.
“Haie haben unglücklicherweise ein schlechtes Image”, sagt Cabada. “Viele Menschen hinterfragen deshalb oft nicht die meist übertriebenen, negativen Geschichten und erkennen nicht, wie bedroht und wichtig Haie sind.” Viele Haispezies sind zudem wenig erforscht und kaum bekannt, so dass sie bisher auch der Aufmerksamkeit des Artenschutzes entgangen sind.
Die EDGE-Liste soll dies nun ändern. Sie liefert nicht nur Informationen darüber, welche Knorpelfischarten höchste Priorität im Artenschutz haben müssen. Im Rahmen des Projekts arbeiten die Wissenschaftler auch mit verschiedenen Naturschutzorganisationen und Stiftungen zusammen, die künftig entsprechende Schutzprogramme koordinieren und umsetzen sollen.
Quelle: Zoological Society of London, EDGE-Liste der Haie und Rochen