Die Verknüpfung verschiedener Sinneseindrücke bei Synästhetikern, die beispielsweise beim Hören von Tönen oder beim Lesen Farben wahrnehmen, ist möglicherweise komplexer als bisher angenommen: Italienische Forscher haben jetzt entdeckt, dass sich die Kopplung auch dann nachweisen lässt, wenn der Betroffene sie gar nicht bewusst wahrnimmt. Gezeigt haben sie das am Beispiel eines Synästhetikers, der Zahlen farbig sieht, wenn sie als Ziffern dargestellt sind, nicht jedoch, wenn es sich um eine Gruppe von Punkten handelt. Trotzdem schneidet er bei Wahrnehmungstests nicht ab wie ein Mensch ohne Synästhesie, sondern wie ein typischer Synästhetiker, schreiben die Wissenschaftler.
Die Psychologen ließen ihren Testkandidaten, genannt NM, einen klassischen Wahrnehmungstest absolvieren, in dem ihm in verschiedenen Farben gedruckte Ziffern vorgelegt wurden. Seine Aufgabe war es, die Farben zu benennen ? ein Kinderspiel für Menschen ohne Synästhesie, nicht jedoch für Synästhetiker, die ohnehin jede Ziffer in einer bestimmten Farbe sehen: Ihnen fällt der Test zwar sehr leicht, wenn die subjektiv wahrgenommene Farbe und die tatsächliche Farbe der Zahl übereinstimmen. Ist das jedoch nicht der Fall, konkurrieren subjektive und tatsächliche Farbe um die Aufmerksamkeit, und die korrekte Benennung wird stark erschwert. In diesen Fällen antworten Synästhetiker mit einer starken Verzögerung, und dieses Merkmal ist so typisch, dass es sogar als Nachweis einer Synästhesie gilt.
Auch NM schnitt im Test wie erwartet ab, berichten die Forscher. Interessanterweise fand sich die gleiche Verzögerung jedoch auch, wenn die Wissenschaftler ihm nicht Ziffern, sondern Punktgruppen zeigten, wie sie beispielsweise auf den Seiten eines Würfels zu finden sind. Bei diesen Darstellungen hatte NM nämlich zuvor angegeben, dass sie für ihn nicht mit einem Farbeindruck einhergehen. Offenbar existiert die Verbindung Zahl ? Farbe im Gehirn dennoch, sonst ließe sich die verzögerte Reaktion nicht erklären, kommentieren die Forscher. Sie vermuten, dass es sich dabei um eine erlernte Assoziation handelt, bei der die Farbe, die NM unweigerlich bei einer bestimmten Ziffer sieht, unbewusst auf das Konzept der Zahl an sich und alle ihre Darstellungsformen übertragen wurde. Möglicherweise beruhen der bewusste und der unbewusste Anteil der Synästhesie auch auf ganz unterschiedlichen Mechanismen, spekulieren sie. Das soll als nächstes untersucht werden.
Ilaria Berteletti (Universität in Padua) et al.: Cortex, doi: 10.1016/j.cortex.2008.12.0069 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel