Forscher haben zum vierten Mal eine großangelegte Inventur der deutschen Wälder durchgeführt. Der Analyse zufolge werden unsere Wälder tendenziell größer, wilder und beheimaten vielfältigere Bewohner. Zudem gibt es mehr ältere Bäume und mehr Mischwälder. Doch weil durch Wetter- und Umweltschäden darin auch weniger Bäume stehen, speichern Wälder nun weniger CO2 aus der Luft. Dadurch wurden sie in den letzten Jahren sogar zur Kohlenstoff-Quelle statt CO2-Senke.
Alle zehn Jahre machen Forschende im Auftrag der Bundesregierung eine Inventur der deutschen Wälder. Dabei überprüfen sie, wie es dem Wald geht und ob er nachhaltig bewirtschaftet wird. 2022 fand diese Bundeswaldinventur (BWI) zum vierten Mal statt. Das Ergebnis ist die bislang umfangreichste Bestandsaufnahme im deutschen Wald.
Deutsche Wälder werden wilder und vielfältiger
Die Forschenden vermaßen dafür eine halbe Millionen Bäume und beschrieben an 80.000 Orten in den Wäldern, wie die Lage dort konkret ist. Die Liste der dabei untersuchten Waldeigenschaften umfasst knapp 150 Kriterien, darunter beispielsweise Anzahl, Art und Durchmesser der Bäume, aber auch, was am Boden wächst und wie viel Totholz dort liegt. Erstmals sammelten sie auch Proben, um die genetische Vielfalt zu bestimmen. Anschließend werten die Forschenden diese Stichproben aus, um aus den Daten die gesamte Wald- und Holzentwicklung zu berechnen.
Die Baumbilanz offenbarte sowohl positive als auch negative Entwicklungen in unsren Wäldern. In mancher Hinsicht sind sie demnach heute in einem besseren Zustand als noch zehn Jahre zuvor. Beispielsweise gibt es durch Aufforstung rund 15.000 Hektar mehr Waldfläche als noch 2012. Insgesamt sind es nun 11,5 Millionen Hektar Wald – ein Drittel des Landes. Zudem entwickeln sich die Wälder hin zu Mischwäldern mit mehr Laubbäumen und weniger Fichten. Die Wälder werden auch langsam wieder naturnäher, sprich wilder, und enthalten mehr alte und damit dickere Bäume. 2022 war der Wald durchschnittlich 82 Jahre alt – fünf Jahre älter als noch 2012. Dadurch stieg auch die Artenvielfalt, weil alte Bäume mehr Wohnraum und Nährstoffe für Tiere und Mikroben bieten als junge Bäume, wie die Autoren berichten.
Gemischte CO2-Bilanz
Doch es gibt auch negative Entwicklungen: So hat der Wald ab 2017 so stark gelitten, dass trotz größerer Fläche nun weniger Holz in den Wäldern steht. Der Grund: Durch Stürme, Trockenheit und Befall durch Schädlinge wie dem Borkenkäfer starben viele Bäume ab. Ältere Bäume wachsen zudem langsamer als junge und es kamen nicht ausreichend junge schnellwachsende Bäume hinzu. Dadurch können die Wälder nun weniger Kohlendioxid (CO2) aus der Luft aufnehmen und speichern. Sie sind daher in den letzten Jahren von einer Kohlenstoff-Senke zu einer Kohlenstoff-Quelle geworden.
Unterm Strich ist die Kohlenstoff-Bilanz der deutschen Wälder zwar unverändert; netto ist der Wald in den vergangenen zehn Jahren fast CO2-neutral gewesen. „Aktuell ist ungefähr die gleiche Menge Kohlenstoff in der lebenden Biomasse im Wald gespeichert wie vor zehn Jahren“, sagt Thomas Riedel vom Thünen-Institut für Waldökosystem in Eberswalde. Konkret sind das 1.184 Millionen Tonnen Kohlenstoff, zusammen mit dem Totholz und den Böden sogar rund 2.200 Millionen Tonnen. Allerdings ist dies das Resultat zweier Trends, die sich nahezu aufheben: „Bis 2017 hat die gespeicherte Kohlenstoffmenge um 52 Millionen Tonnen zugenommen. Danach hat die lebende Biomasse allerdings 42 Millionen Tonnen Kohlenstoff in Totholz und Holzprodukte abgegeben“, erläutert Riedel. Totholz zersetzt sich wiederum und gibt dabei den Kohlenstoff in Form von Humus an den Boden und als CO2 an die Atmosphäre ab. Dadurch wurden unsere Wälder in den letzten fünf Jahren des Messzeitraums zur CO2-Quelle statt -Senke.
Quellen: Bundeswaldinventur 2022 / Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei