Das Problem ist nicht neu: Schon seit Jahren registrieren Biologen, dass die Artenvielfalt, aber auch die Häufigkeiten verschiedener Insektenarten immer weiter zurückgehen. So sind die Populationen von Schmetterlingen in Europa zwischen 1990 und 2011 um die Hälfte geschrumpft, bei Motten sieht es ähnlich aus. Bekannt und besorgniserregend ist auch der Schwund von Bienen und Hummeln: Diese für die Bestäubung so wichtigen Hautflügler haben in unserer Natur gleich mit mehreren Problemen zu kämpfen. Sie finden wegen der Monokulturen und fehlenden Wildkräuter kaum noch Nahrung, gleichzeitig setzen ihnen die in der Landwirtschaft eingesetzten Pestizide zu. Studien belegen inzwischen, dass beispielsweise die häufig gespritzten Neonicotinoide unter anderem die Orientierung von Honigbienen und Hummeln stören und den Geruchssinn von Wespen beeinträchtigen.
75 Prozent weniger Insekten-Biomasse
Aber wie sieht es mit den Insekten insgesamt aus? Diese Frage blieb bisher weitgehend ungeklärt, wie Caspar Hallmann von der Radboud Universität im niederländischen Nijmegen und seine Kollegen erklären. Um das zu ändern, haben sie eine der bisher umfangreichsten Langzeitstudien zum Insektenbestand durchgeführt. Dafür werteten sie die Biomasse von fliegenden Insekten in 63 Naturschutzgebieten in Deutschland in der Zeit von 1989 bis 2016 aus – über 27 Jahre hinweg. Die Insekten wurden dafür nach standardisiertem Protokoll in sogenannten Malaise-Fallen gefangen und gewogen. Zusätzlich bezogen die Forscher Wetterdaten sowie die Landnutzung im Umfeld der Naturschutzgebiete und die pflanzliche Artenvielfalt des jeweiligen Habitats mit ein.
“Unsere Ergebnisse dokumentieren einen dramatischen Schwund der durchschnittlichen Biomasse fliegender Insekten von 76 Prozent in den letzten 27 Jahren”, berichten Hallmann und seine Kollegen. In der Sommermitte ging die Insektenbiomasse sogar um bis zu 82 Prozent zurück. Nach Ansicht der Forscher belegt dies sehr eindrücklich, dass der Rückgang von Schmetterlingen, Wildbienen und Motten Ausdruck eines eklatanten Schwunds der Insekten insgesamt ist. “Dieser Verlust der Insektenbiomasse ist alarmierend – und das umso mehr, weil alle Fallen in Naturschutzgebieten aufgestellt worden waren und damit in Gebieten mit eigentlich noch funktionierenden Ökosystemfunktionen”, so die Wissenschaftler. Sie vermuten, dass die Lage in den intensiv landwirtschaftlich genutzten Gebieten Deutschlands noch gravierender sein könnte.
Ursachen noch rätselhaft
Die konkreten Ursachen dieses Insektenrückgangs sind allerdings deutlich weniger klar. So konnten die Wissenschaftler keinen eindeutigen Zusammenhang zu Veränderungen in den Habitaten oder Nutzung umliegender Flächen feststellen. Auch Trends beim Wetter und Klima können das Ausmaß des beobachteten Trends nicht erklären, wie sie berichten. “Der drastische Rückgang der Insekten-Biomasse deutet darauf hin, dass hier Einflussfaktoren in großem Maßstab involviert sein müssen”, sagen Hallmann und seine Kollegen. Auch wenn sie dies nicht direkt erfasst und untersucht haben, vermuten sie, dass die Intensivierung der Landwirtschaft verbunden mit dem Einsatz von Pestiziden eine Rolle spielen könnte. “Fast alle untersuchten Naturschutzgebiete waren eher klein, wie es für die fragmentierte westeuropäische Landschaft typisch ist”, erklären die Forscher. “Ein Teil der Erklärung könnte daher sein, dass die Schutzgebiete und ihre Insektenpopulationen durch die Felder in ihrer unmittelbaren Umgebung beeinträchtigt wurden.”
Ähnlich sieht es auch der nicht an der Studie beteiligte Agrarökologe Teja Tscharntke von der Universität Göttingen: “Der dramatische Insekten-Rückgang zeigt, dass Schutzgebiete in nur noch sehr geringem Maße als Quellhabitate für die Besiedlung der Agrarlandschaften dienen können. Damit ist auch die Aufrechterhaltung wichtiger Dienstleistungen wie der Bestäubung und der biologischen Schädlingskontrolle in der Agrarlandschaft gefährdet.” Umso dringender sei es daher, die genauen Ursachen dieses drastischen Insektenschwunds herauszufinden.