Mit seinem Know-how hat Ekman ein kleines Imperium aufgebaut: die Paul Ekman Group, eine Firma, die in Seminaren mit Videos und Fotos, Rollenspielen und Computertests Mitarbeiter von Geheimdiensten, Polizei und Botschaften beibringt, wie ein Mensch aussieht, der etwas zu verbergen hat. Die Kurse sind begehrt: Eine fünftägige Schulung beläuft sich auf stolze 35.000 Dollar, berichtet das Wissenschaftsmagazin “bild der wissenschaft” in seiner Augustausgabe.
Der in einer Villa in den Oakland Hills nahe San Francisco residierende Herr hat eine Mission, und deren Motive reichen bis in seine Kindheit zurück. Sein Vater, Arzt bei der amerikanischen Armee, neigte zu Gewaltausbrüchen, seine Mutter beging Selbstmord, als Ekman 14 Jahre alt war. “Das hat mich geprägt. Ich wollte etwas tun”, erinnert sich Ekman im Gespräch mit “bild der wissenschaft”. Ekman studierte Psychologie und hat sich nun bereits fast 60 Jahre mit den menschlichen Gefühlen und deren Ausdruck und Kontrolle befasst.
Der entscheidende Schritt seiner Karriere war eine Reise, die Ekman 1966 in die Urwälder Papua-Neuguineas unternahm. Dort zeigt er in steinzeitlichen Kulturen lebenden Menschen Fotos von Gesichtern. So sollten die Befragten unter mehreren Portraits das Bild eines Menschen auswählen, dessen Kind gerade gestorben war oder das jemanden beim Anblick eines verwesenden Wildschweins zeigte. Die Ergebnisse unterschieden sich nicht von den Resultaten, die bei Probanden aus der modernen westlichen Welt zu erwarten gewesen wären.
Die menschlichen Grundemotionen sind universell und schlagen sich auch in einer entsprechenden Mimik nieder, schloss Ekman aus den Ergebnissen und entwickelte daraus eine Systematik der Gefühle: Zorn, Überraschung, Angst, Freude, Ekel, Trauer und Verachtung zeigen sich in allen Kulturen in identischen Gesichtsausdrücken. Aus diesen Erkenntnissen entwickelte Ekman gemeinsam mit Kollegen das Facial Action Coding System kurz FACS. Dieser Atlas der Gefühle mit Hunderten von Fotos zeigt alle denkbaren Facetten der menschlichen Mimik und ordnet diese sogenannte Action Units (AU) zu. Diese Aktionseinheiten entsprechen Gesichtsbewegungen, die von einem oder mehreren Muskeln ausgeführt werden. Das Kräuseln der Nase beispielsweise entspricht AU 9.
Aus Kombinationen der insgesamt 44 möglichen AUs entstehen die Gesichtsausdrücke. So setzt sich ein glückliches Gesicht aus einer Kombination von AU6 und AU 12 zusammen, wenn nämlich gleichzeitig der Augenmuskel kontrahiert wird und sich die Mundwinkel heben. Das FACS ist seit vielen Jahren unter Medizinern und Psychologen verbreitet. Die Auswertung erfolgt bisher noch in mühevoller Kleinarbeit, könnte jedoch bald automatisiert von Computern erledigt werden, kündigt Ekman an.
Solche Gesichtsscanner könnten dann von Ekman und seinen Mitarbeitern ausgebildete menschliche Gesichterleser unterstützen, wie sie etwa im Rahmen eines SPOT genannten Programms derzeit auf 14 amerikanischen Flughäfen postiert sind. Die Sicherheitsmitarbeiter haben die Aufgabe, aus dem Strom der Reisenden anhand einer Liste von 35 Kriterien verdächtige Personen herauszufischen. Welche Kriterien das genau sind und wie groß die Trefferquote ist, will Ekman nicht preisgeben zu groß sei die Gefahr, wenn dieses Wissen in die Hände von Terroristen gelange, erklärt der Psychologe in “bild der wissenschaft”.
Ein wichtiges Phänomen beim Erkennen verborgener Gefühle können die von Ekman entdeckten sogenannten Mikroexpressionen sein: Für einen Bruchteil einer Sekunde huschen dann Ausdrücke über das Gesicht des jeweiligen Menschen, die Aufschluss über dessen wahren Gemütszustand geben. Ekman hat bereits ungezählte Beispiele solcher Mikroexpressionen gesammelt, darunter von so Prominenten wie O. J. Simpson während einer Gerichtsverhandlung oder von Bill Clinton während des Wahlkampfs. Nur gut vier Prozent aller Menschen sind so gute Lügner, dass ihr Körper keine solchen verräterischen Signale abgibt, schätzt Ekman.
Im Gegensatz zu den Regeln des SPOT-Programms hat er aus seinem System zur Erkennung von Mikroexpressionen kein Geheimnis gemacht und sogar eine Trainings-CD-ROM dazu herausgebracht. Dennoch sei die Technik keineswegs ein universelles Mittel beispielsweise gegen Lügen und Falschaussagen vor Gericht, betont Ekman und erläutert dies am Beispiel des
Othello: Der Held Shakespeares tötete seine Frau Desdemona, weil er in ihrem Gesicht Angst sah und daraus schloss, dass sie ihn betrogen hatte und nun die Enthüllung dieses vermeintlichen Geheimnisses fürchtete. In Wirklichkeit hatte sie nur Angst, dass er ihr nicht glauben würde.
Solche Situationen kann es auch bei der Befragung von Zeugen oder Angeklagten geben, was zu falschen Schlüssen und Fehlurteilen führen kann, erklärt Ekman in “bild der wissenschaft”. “Die Angst, nicht glaubwürdig zu sein, und die Angst vor dem Erwischtwerden sehen gleich aus. Angst ist Angst.”