Es gibt eine siebte Menschenaffenart! Erst vor kurzem wurde der Tapanuli-Orang-Utan als eine eigene Spezies identifiziert. Nun ist Alarm angesagt: Schon bald könnten nur wieder sechs Menschenaffenarten neben dem Menschen existieren, warnen Forscher. In dem kleinen Verbreitungsgebiet der Tiere auf der Insel Sumatra ist der Bau eines Staudamms geplant und auch weitere Bedrohungen könnten die kleine Population in Kürze auslöschen.
Bis letztes Jahr zählte man im Fall der Familie der Menschenaffen (Hominidae) neben dem Menschen bis sechs: Schimpanse, Bonobo, Östlicher Gorilla, Westlicher Gorilla und im Fall der Orang-Utans ging man von zwei Arten aus: Die eine lebt auf Sumatra, die andere ist auf der Insel Borneo beheimatet. Doch im November 2017 verkündeten Forscher dann, dass Sumatra die Heimat von zwei Arten ist: Sie identifizierten eine isolierte Orang-Utan-Population im Norden der Insel anhand morphologischer und genetischer Daten als eine eigene Spezies.
Nur noch etwa 800 Tiere
Bereits bei der Erstbeschreibung war klar: Beim Tapanuli-Orang-Utan (Pongo tapanuliensis) handelt es sich um den am stärksten bedrohten von allen Menschenaffen: Nur noch etwa 800 Tiere hangeln sich durch den Dschungel in den Hochlandwäldern Sumatras. In einem aktuellen Artikel in der Zeitschrift Current Biology schlägt nun ein internationales Forscherteam Alarm: “Diese Menschenaffenart könnte nun direkt vor unseren Augen aussterben”, sagt Co-Autorin Jatna Supriatna von der Universität von Indonesien in Jakarta.
Denn leider ist das Verbreitungsgebiet der Tapanuli-Orang-Utans nicht entlegen genug, um die Tiere vor menschlichen Bedrohungen zu bewahren: Sie werden akut von Mega-Bauprojekten, Entwaldung, Straßenbau und Wilderei bedroht. Das Problem ist zudem: “Ihr gesamter Lebensraum ist unglaublich klein – weniger als ein Zehntel der Größe von Sydney”, sagt Co-Autor Sean Sloan von der James Cook University in Australien.
Ein Staudamm bedroht die seltenen Affen
Konkret macht den Biologen vor allem ein 1,6 Milliarden Dollar schweres Vorhaben chinesischer und indonesischer Investoren in der Heimat der seltenen Affen Sorgen: das Batang-Toru-Projekt. “Wenn es weitergeht, wird der riesige Staudamm wichtige Teile des Habitats des Affen überfluten”, sagt Supriatna. Doch nicht nur das: Mit dem Riesenprojekt kommt auch Infrastruktur: “Den verbleibenden Lebensraum werden dann Stromleitungen und Straßen zerschneiden”, so die Forscherin. Sie und ihre Kollegen befürchten außerdem, dass die Straßen auch für illegale Abholzungen und Wilderei sorgen werden. Klar scheint: Eine Population von nur rund 800 Tieren kann solchen Belastungen nicht lange standhalten.
Offenbar bekunden die Projektverantwortlichen den Willen zum Naturschutz, doch ob dies überhaupt möglich ist, scheint sehr fragwürdig. “Sie sagen, sie wollen nachhaltige Entwicklung – aber Worte sind Schall und Rauch”, sagt Co-Autor William Laurance von der australischen James Cook University. Dies ist ein kritischer Test für China und Indonesien.”Ohne sofortige Schutzmaßnahmen könnte dies ein ökologisches Armageddon für einen unserer nächsten lebenden Verwandten werden”, resümiert der Forscher.