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Der Nil könnte wieder mehr Gewalt entfalten

Geowissenschaften

Der Nil könnte wieder mehr Gewalt entfalten
Im Einzugsbereich des Nils könnte es im Zuge des Klimawandels zu verstärkten Niederschlägen kommen. © iStock/Goddard_Photography

Wie könnte sich der Klimawandel auf das Verhalten eines der bedeutendsten Flüsse der Welt auswirken? Hinweise auf diese Frage hat nun ein Blick in die Geschichte des Nils anhand einer Bohrkernanalyse geliefert. Unter den feuchtwarmen Bedingungen vor etwa 9000 Jahren neigte der Strom demnach zu sehr heftigen Überschwemmungs-Schwankungen und Extremhochwasser. Die Studienergebnisse könnten nun dabei helfen, sich auf zukünftige Herausforderungen im Zuge des Klimawandels besser vorzubereiten, sagen die Forschenden.

Er ist die berühmte Lebensader für Millionen von Menschen im Nordosten Afrikas: Der Nil befördert gewaltige Wassermassen vom Äquatorbereich bis ins Mittelmeer und ist dabei für seine jährlichen Überschwemmungen bekannt. Saisonale Niederschläge in seinem Einzugsgebiet führen zu Hochwasserphasen, die bei einem moderaten Ausmaß für Bewässerung und Düngung sorgen: Seit Jahrtausenden sind die regelmäßigen Nil-Überschwemmungen entscheidend für die Nahrungsversorgung der Menschen in der Region. Doch wie wird sich die Aktivität des mächtigen Flusses in Zukunft entwickeln? Die jüngsten Dürre- und Überschwemmungsepisoden in Ägypten, Äthiopien und dem Sudan lassen eine Zunahme der Niederschlagsvariabilität befürchten, die den Fluss prägen könnte. Klimamodelle sagen auch voraus, dass es aufgrund der globalen Erwärmung vor allem zu verstärkten Monsunregenfällen in dieser Region kommen könnte.

Wie verhielt sich einst der Nil?

Um zu beleuchten, wie sich dieser Trend auf das Flusssystem des Nils auswirken könnte, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. Denn es gab bereits Zeiten mit feuchteren und wärmeren Klimabedingungen: Während der sogenannten nordafrikanischen Feuchtperiode, vor etwa 11.000 bis 6000 Jahren, kam es zu deutlich erhöhten Niederschlägen im Einzugsbereich des Nils. Um Hinweise darauf zu bekommen, wie sich der Fluss in dieser Ära verhielt, haben die Forschenden um Cécile Blanchet vom GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam einen Sedimentkern untersucht, der aus dem Meeresboden des Mündungsbereichs im Mittelmeer stammt. Er wurde auf die nordafrikanische Feuchtperiode datiert und deckt dabei eine Zeitspanne von 1500 Jahren ab. Der Bohrkern weist Schichtstrukturen auf, die durch die Ablagerung von Schwebeteilchen entstanden sind, die der Fluss bei seinen saisonalen Überschwemmungen einst beförderte, erklären die Forschenden.

Wie sie berichten, ergaben die Untersuchungen des Materials: Die Dicke der Lagen, in denen sich die Überschwemmungsereignisse widerspiegeln, variierte teils drastisch: von 0,3 bis zehn Millimeter. „Das klingt vielleicht nicht nach viel, aber mehrere Millimeter, die vor der Küste abgelagert werden, sind enorm“, sagt Blanchet. In der Dicke der Schichten, die bei zunehmender Breite auch größere Partikel enthalten, sehen die Forschenden einen zuverlässigen Indikator für die Stärke der einstigen Nilüberschwemmungen. Aus den Ergebnissen ging somit hervor: Die nordafrikanische Feuchtzeit war von extrem starken, aber auch schwachen Nilfluten geprägt. Vor allem in der Zeit von vor 9200 bis 8600 Jahren kam es häufig zu Ablagerung großer Materialmengen vor der Küste, in denen sich ungewöhnlich heftige Überschwemmungsereignisse mit starker Erosionsaktivität widerspiegeln. Offenbar hatte das feuchtere Klima zu sehr starker Variabilität und einem äußerst instabilen Flusssystem geführt hat, wodurch das Niltal möglicherweise unbewohnbar wurde, resümieren die Forschenden.

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Einflussfaktoren auf der Spur

Anschließend ging das Team durch Modellierungen der Frage nach, welche Triebkräfte zu den starken Schwankungen in der Ära der nordafrikanischen Feuchtzeit geführt haben könnten. Die Ergebnisse legten dabei nahe, dass auch damals schon die El Niño Southern Oscillation (ENSO) eine Rolle spielte. „ENSO hat seinen Ursprung in der Pazifikregion und wird durch atmosphärische Telekonnektionen auf andere Teile der Welt übertragen“, sagt Co-Autorin Monica Ionita vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven. „Es war faszinierend zu sehen, dass wir diese Variabilität sowohl im Modell als auch in den Daten finden konnten“, so die Wissenschaftlerin.

Prinzipiell zeichnen sich auch ähnliche Treiber der Variabilität in den letzten 2000 Jahren ab, berichten die Forscher. Dies zeigten Vergleiche der Hochwasserdaten aus der Ära der nordafrikanischen Feuchtperiode mit historischen Aufzeichnungen über die Nilfluten. „Da die Auflösung und die Länge der beiden Aufzeichnungen ähnlich sind, konnten wir ähnliche statistische Methoden anwenden und die wichtigsten zeitlichen Schwankungen ableiten. Das hat uns gezeigt, dass die Einflussfaktoren recht ähnlich sind, obwohl die klimatischen Bedingungen unterschiedlich waren“, sagt Co-Autor Arne Ramisch, früher am GFZ. Das bedeutet, dass sich ähnliche Klimatreiber speziell auswirken können: Unter feuchteren und wärmeren Klimabedingungen kommt es zu einer verstärkten Amplitude des Hochwasserausmaßes.

Die Forschenden sehen in ihren Studienergebnissen nun eine wichtige Bedeutung für die Einschätzung der Hochwasserrisiken im Zuge der aktuellen Klimaentwicklungen. Denn sie könnten zur Entwicklung von Verfahren zur Vorhersage und Verringerung von Hochwasserrisiken führen. „Ich glaube, dass unsere Ergebnisse direkte Anwendungen haben könnten“, so Blanchet abschließend.

Quelle: Fachartikel: Helmholtz-Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, Fachartikel: Nature Geoscience, doi: 10.1038/s41561-024-01471-9

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