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Das Kreuz mit dem Verlieren

Erde|Umwelt

Das Kreuz mit dem Verlieren
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Ein Teil der Probandengruppe: Schimpansen im Jane-Goodall-Institut im Kongo. Bild: Alexandra Rosati
Auf Risiko gespielt und verloren? Sehr ärgerlich, so etwas – und zwar nicht nur für Menschen: Wenn Bonobos und Schimpansen Pech im Spiel haben, zeigen sie ebenfalls alle Anzeichen für Ärger, haben zwei US-Forscher jetzt beobachtet. Dabei sind die Schimpansen im Allgemeinen zwar etwas geduldiger und auch risikofreudiger als ihre kleineren Cousins, sie äußern ihren Unmut jedoch auch nachdrücklicher. Dennoch gleicht die Reaktion beider Menschenaffen so stark der beim Menschen, dass die Forscher überzeugt sind: Emotionen als Weichensteller für Entscheidungen sind ein ganz altes evolutionäres Konzept.

Beim Menschen gilt: Emotionen sind die Reaktion auf die aktuellen Bedingungen, sozusagen eine persönliche Bewertung einer Situation. Diese bestimmt dann wiederum, welche Maßnahmen man ergreift, um dieser Situation zu begegnen, etwa um sie zu ändern oder ihr zu entgehen – sie legt also den Grundstock für das folgende Verhalten. Ob das bei Menschenaffen oder gar anderen Tieren ebenfalls so funktioniert, ist dagegen nur unzureichend bekannt. Spielen beispielsweise Emotionen ebenfalls eine wichtige Rolle bei Entscheidungen? Dieser Fragen sind Alexandra Rosati und Brian Hare von der Duke University in Durham nun nachgegangen, denn mittlerweile deutet viel darauf hin, dass Menschenaffen Gefühle haben, die denen des Menschen weitgehend ähneln.

Warten und Glücksspiel

Ihr Ansatz: Schauen, wie die Affen reagieren, wenn sie eine Entscheidung treffen – und sich selbige als nicht besonders glücklich erweist. Dazu entwarfen die Wissenschaftler zwei Szenarien, in denen sie sowohl Schimpansen als auch Bonobos antreten ließen. Im ersten testeten sie, was passiert, wenn die Tiere sich zwischen einer kleinen Belohnung, die sie sofort bekommen, und einer größeren entscheiden, auf die sie eine Zeitlang warten müssen. Im zweiten ging es dann um die Risikobereitschaft und um die Reaktionen auf Enttäuschungen. Darin konnten sich die Affen entweder für einen wenig appetitlichen Snack entscheiden, den sie auf jeden Fall erhalten würden, oder für eine Art Glückspiel, bei dem sie in 50 Prozent der Fälle einen äußerst begehrten Snack bekommen konnten, in den anderen Fällen jedoch leer ausgingen.

Testteilnehmer waren insgesamt 24 Schimpansen und 13 Bonobos. Erstere leben im Tchimpounga Chimpanzee Rehabilitation Center in der Republik Kongo, einer Einrichtung, die zum Jane-Goodall-Institut gehört und in der verwaiste Tiere aufgenommen und großgezogen werden. Die Bonobos stammen aus der Schutzstation Lola Ya Bonobo bei Kinshasa. Zunächst wurden alle Affen im Belohnungs-Szenario getestet: Sie durften sich entweder ein Obststückchen – bei den Schimpansen eine Bananenscheibe, bei den Bonobos ein Stück Apfel – sofort nehmen oder aber eine oder zwei Minuten waren, um dann drei Stückchen zu erhalten.

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Die Schimpansen erwiesen sich als prinzipiell geduldiger, beobachteten die Forscher: Sie wählten in immerhin 64 Prozent der Fälle trotz des Wartens die größere Belohnung, bei den Bonobos waren es nur 55 Prozent. Dennoch fiel den Schimpansen das Warten offenbar schwerer als ihren kleineren Verwandten: Sie brachten ihren Unmut darüber deutlich zum Ausdruck – sie wimmerten, jammerten und Kreischten fast die Hälfte der Wartezeit herum, während die Bonobos nur fünf Prozent dieser Zeit lamentierten. Anzeichen von Stress und Ärger zeigten jedoch beide: Sie kratzten sich immer wieder und hämmerten laut gegen die Stangen des Versuchskäfig.

Risiko bei Schimpansen, Zurückhaltung bei Bonobos

Auch im zweiten Test sahen die Forscher einen deutlichen Unterschied zwischen den beiden Arten. Diesmal ging es um eine mäßig attraktive Belohnung – Papaya und Gurke für die Schimpansen, Erdnüsse und Salat für die Bonobos – als sichere Option, oder um einen sehr begehrten Snack – Brot und Banane beziehungsweise Apfel und Banane. Letzteren bekamen die Affen jedoch nur in der Hälfte der Fälle, in der anderen mussten sie sich ebenfalls mit ungeliebtem Futter begnügen. Die Schimpansen zeigten sich in diesem Test deutlich risikobereiter, berichten die Forscher: Sie wählten in knapp 65 Prozent der Fälle das Risiko, die Bonobos in nicht einmal 40 Prozent. Alle Affen zeigten sich jedoch sehr ungehalten, wenn sie nicht die erhoffte Belohnung erhielten, und machten ihrem Unmut lautstark Luft. Häufig versuchten sie sogar, nachträglich noch ihre Wahl zu ändern, erzählt das Forscherduo.

Interessant fanden sie auch die Konsequenzen, die die Tiere aus ihren Erfahrungen zogen: Die Bonobos wählten viel seltener die risikoreiche Option, wenn sie zuvor dabei verloren hatten, während die Schimpansen völlig unbeeindruckt von den vorhergehenden Versuchen blieben. Offenbar verfolgen die beiden eng verwandten Arten also völlig unterschiedliche Strategien, interpretieren Rosati und Hare dieses Phänomen. Für Schimpansen scheint das begehrte Futter zum Beispiel einen immens hohen persönlichen Wert zu besitzen – so sehr, dass sie bereit sind, im Notfall sogar ganz zu verzichten, solange sie überhaupt eine Chance haben, es zu ergattern. Die Bonobos wählen dagegen lieber den Spatz in der Hand, sozusagen.

Dahinter könnten die unterschiedlichen Lebensbedingungen der beiden Menschenaffen stecken, spekulieren die Forscher. Bonobos, von denen Forscher annehmen, dass sie sich in sehr fruchtbaren Gebieten entwickelten, hatten während ihrer Evolution vermutlich immer ausreichend Futter in Reichweite. Für sie war es daher nicht nötig, Unbilden in Kauf zu nehmen, um es zu erreichen. Schimpansen dagegen mussten mit jahreszeitlich stark wechselndem Futterangebot ebenso zurechtkommen wie mit starker Konkurrenz und schlechterem Zugang zu sehr reichen Futtergründen. Daher sind sie wohl nach wie vor eher bereit, Kosten auf sich zu nehmen, um an besonders gute Nahrung zu gelangen – seien es Verzögerungen, lange Wege, Anstrengungen oder eben auch Risiken.

Emotionale Entscheidungen

Was auch immer den Unterschied ursprünglich hervorgerufen hat, die Ergebnisse deuteten klar darauf hin, dass Entscheidungen auch bei Menschenaffen direkt mit Gefühlen gekoppelt sind – und dass zumindest bei den Bonobos diese Gefühle darüber entscheiden, wie zukünftige Entscheidungen getroffen werden. Es sei sogar denkbar, dass es sich dabei um eine Strategie der Evolution handelte, spekuliert das Forscherduo: Indem sich Emotionen und die damit einhergehende Motivation leicht veränderten, könnten sich bei Mensch, Bonobo und Schimpanse auch verschiedene Verhaltenstaktiken entwickelt haben, jeweils optimal abgestimmt auf ihren speziellen Lebensraum.

Alexandra Rosati und Brian Hare (Duke University, Durham): PLoS one, doi: 10.1371/journal.pone.0063058 © wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
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