Keith Thulborn, Direktor der Magnetresonanz (MR)-Forschung an der University of Illinois in Chicago, berichtete bei dem diesjährigem Treffen der American Association for the Advancement of Science in San Francisco über neue Erkenntnisse über die angeborenen Plastizität des Gehirns. Danach programmiert sich das Gehirn durch eine Neuverteilung seiner kognitiven Arbeitsleistungen auf bestehende Netzwerke nach einem Schlaganfall selber um. Das Gehirn rekrutiert andere Gebiete, die funktionell die zerstörten Hirnregionen ersetzen und so können verlorengegangenen Fähigkeiten, wie beispielsweise das Sprech- und Sprachvermögen, wieder zurückgewonnen werden.
Thulborn beobachtete die Gehirne verschiedener Patienten mittels des
functional magnetic resonance imaging (fMRI, funktionelle Magnetresonanztomographie), einem bildgebenden Verfahren, bei dem sich lokale Veränderungen der Gehirndurchblutung sichtbar machen lassen. Er stellte bei Patienten, die ihre Sprachfähigkeit nach einem Schlaganfall verloren hatten, einen zweistufigen Rückgewinnungsprozess fest. Bei einem Patienten, der Verletzungen im
Wernicke-Areal (es dient der Spracherkennung) hatte, zeigte das fMRI, dass anfänglich das Sprachvermögen durch eine Aufgaben-Umverteilung auf eine gegenüberliegende Region im Gehirn wiedererlangt wurde. Im Lauf der Zeit übernahm ein angrenzendes Gebiet diese kognitive Aufgabe, während das Wernicke-Areal beschädigt und inaktiv blieb.
Ein Schlüsselfaktor in der Rückgewinnungszeit ist laut Thulborn, ob weiße Substanz beschädigt worden ist. Die weiße Substanz besteht aus myelinisierten Axonen, diese Axone verbinden wie Kabel unterschiedliche Gebiete der Hirnrinde miteinander. Werden sie verletzt, gehen notwendige Verbindungen für die neue Arbeitsaufteilung verloren.
“Ist weiße Substanz mit verletzt, so bedeutet dies eine langsamere und reduzierte Rückgewinnung der Fähigkeiten,” sagte Thulborn. “Dies könnte die reduzierte Kapazität, die Aufgaben neu zu verteilen, widerspiegeln.”
Während fMRI hauptsächlich in der Forschung benutzt worden ist, um Gehirnfunktionen auszuarbeiten, wird es nun auch für klinische Anwendungen eingesetzt. Beim UIC Medical Center arbeitet Thulborn mit anderen Medizinern, Psychologen und Therapeuten zusammen, um neue Technologien, die darauf zielen kognitive und motorische Fähigkeiten wieder herzustellen, zu entwerfen.
Nicole Waschke