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Das Ende der Insel-Mammuts bleibt rätselhaft

Paläogenetik

Das Ende der Insel-Mammuts bleibt rätselhaft
Funde von Stoßzähnen zeugen von der letzten Mammut-Population der Erde auf der entlegenen Wrangelinsel. © Love Dalén

Doch keine Inzucht bis zum Kollaps? Eine genetische Studie wirft neues Licht auf die Geschichte und das Schicksal der letzten Mammuts, die noch bis vor etwa 4000 Jahren auf der sibirischen Wrangelinsel existierten. Sie waren zwar von geringer genetischer Vielfalt und Mutationen geprägt, aber nicht in einem fatalen Ausmaß, wie bisher vermutet. Denn über 6000 Jahre lang war ihre Population stabil geblieben und besonders schädliche Genvarianten konnten ausgemerzt werden. Ein bisher mysteriöses Ereignis hat demnach wohl die letzte Mammut-Population der Erde vernichtet, sagen die Forschenden.

Einst stapften sie in gewaltigen Herden durch die Kältesteppen des Nordens. Doch durch die klimatischen Veränderungen am Ende der letzten Eiszeit wurden die Verbreitungsgebiete der Wollhaarmammuts (Mammuthus primigenius) immer kleiner. Einen Rückzugsort konnten die zotteligen Kolosse allerdings noch erstaunlich lange halten, belegen Funde: Während sie anderorts schon verschwunden waren, konnten die Mammuts noch bis vor etwa 4000 Jahren auf der Wrangelinsel vor der Küste Sibiriens überleben. Diese isolierte Population war entstanden, als sich die Insel im Zuge des Meeresspiegelanstiegs vor etwa 10.000 Jahren vom sibirischen Festland getrennt hat.

Doch warum haben die Tiere dort nicht bis heute überlebt? Für einen Beitrag des Menschen beim Aussterben auf der Insel gibt es bisher keine Hinweise. Denn die ältesten bekannten Siedlungsspuren wurden auf eine Zeit etwa 400 Jahre nach dem Verschwinden der letzten Mammuts datiert. Als eine mögliche Erklärung galt bisher allerdings, dass die kleine, isolierte Mammut-Population am Ende einem genetischen Kollaps aufgrund der Inzucht erlegen war. Zunehmende Defekte könnten demnach die Vitalität der Tiere beeinträchtigt haben, sodass ihre Population immer mehr schrumpfte und schließlich verschwand.

Inzuchtfolgen auf der Spur

Bisherige Untersuchungen von DNA-Resten aus Mammutfunden haben auch Hinweise auf eine möglicherweise kritisch geringe Genomvielfalt der Inselpopulation geliefert. Doch nun präsentieren die Forschenden um Marianne Dehasque von der Universität Stockholm eine umfangreichere genetische Untersuchung. Sie analysierten dazu 14 Genome, die aus datierten Überresten von Mammut-Exemplaren der Wrangelinsel stammen. Zum Vergleich nutze das Team Erbgut von sieben Mammuts, die einst auf dem sibirischen Festland gelebt haben. Insgesamt umspannen die Proben die letzten 50.000 Jahre der Existenz des Wollhaarmammuts.

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Wie die Forschenden berichten, konnten sie anhand bestimmter Hinweise im Erbgut der Wrangelinsel-Mammuts auf die Größe der Gründungspopulation schließen. Sie bestand demnach aus nur höchstens acht Individuen. Es wurde also deutlich, dass es einen sehr engen „Flaschenhals“ bei der Populationsentwicklung dieser Tiere gegeben hat. “In Kombination mit früheren Befunden legt dies nahe, dass die Wrangelinsel-Mammuts nur aus einer einzelnen Herde hervorgegangen sind“, schreiben die Autoren. Den genetischen Hinweisen zufolge war es den Tieren dann allerdings gelungen, innerhalb von 20 Generationen eine Population von bis zu 300 Individuen zu bilden. Zudem zeichnet sich ab, dass die Wrangelinsel-Mammuts diesen Bestand offenbar über die folgenden Jahrtausende hinweg recht stabil halten konnten – auch bis in die Zeit kurz vor ihrem Ende.

Spuren der Inzucht, aber…

Was den genetischen Zustand der Population betrifft, ergaben die neuen Analysen: Im Vergleich zu ihren Vorfahren auf dem Festland wiesen die Genome der Wrangelinsel-Mammuts tatsächlich deutliche Anzeichen von Inzucht und geringer genetischer Vielfalt auf. Dabei zeigte sich auch eine Anhäufung ungünstiger genetischer Mutationen. Doch dies war nicht in einem Ausmaß erfolgt, das einen Kollaps erklären könnte, sagen die Forschenden. Denn den genetischen Befunden zufolge konnten die schädlichsten Mutationen im Verlauf der Jahrtausende sogar aus dem Genpool der Population bereinigt werden. “Wenn ein Individuum eine extrem schädliche Mutation aufweist, ist es im Grunde nicht lebensfähig, sodass diese genetischen Varianten im Laufe der Zeit aus der Population verschwanden”, resümiert Dehasque.

Dennoch ist aber auch eine gewisse genetische Erosion in der Entwicklungsgeschichte der Insel-Mammuts zu verzeichnen. Diese Ansammlung mäßig schädlicher Mutationen hat aber offenbar die Vitalität der Tiere nicht derart beeinträchtigt, dass ihr Bestand schließlich deutlich abgenommen hat. Denn auch bei dem jüngsten Mammut, das etwa 300 Jahre vor dem Aus der Population gelebt hat, gab es im Vergleich zu älteren Exemplaren keine Anzeichen eines schwindenden Bestandes.

“Wir können die Vorstellung, dass die Population einfach zu klein war und dass sie aus genetischen Gründen zum Aussterben verurteilt war, nicht bestätigen”, resümiert Seniorautor Love Dalén von der Universität Stockholm. “Das bedeutet, dass sie wahrscheinlich ein Ereignis ausgelöscht hat, ohne das es die Mammuts heute noch geben könnte”, so der Wissenschaftler. Da es bisher keine Hinweise auf eine Rolle des Menschen gibt, stellen die Forschenden die Hypothese auf: „Ein plötzliches Ereignis, wie etwa ein Krankheitsausbruch oder eine schlagartige Veränderung der Umwelt, könnte möglicherweise in Kombination mit der verminderten Anpassungsfähigkeit der Population das Aussterben der Wrangelinsel-Mammuts verursacht haben“, schreiben die Autoren.

Quelle: Cell Press, Fachartikel: Cell, doi: 10.1016/j.cell.2024.05.033

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