Grubenottern können auch bei völliger Dunkelheit ihre Beute sicher erkennen und töten. Möglich ist dies durch eine extrem effiziente Verarbeitung von Nervensignalen aus speziellen Wärmesensoren, vermuten Wissenschaftler der TU München. Dadurch können die Schlangen mit ihren Sinnesorganen nicht nur schemenhafte Umrisse, sondern vergleichsweise detailgetreue Bilder ihrer Beutetiere wahrnehmen.
Die Unterfamilie der Grubenottern, zu der auch die Klapperschlangen gehören, verdankt ihren Namen den so genannten Grubenorganen. Mit diesen Vertiefungen unterhalb der Nasenlöcher können die Reptilien nachts warmblütige Tiere aufspüren, die aufgrund ihrer Körpertemperatur Infrarotlicht abstrahlen. Diese Sinnesorgane funktionieren äußerst effektiv, haben Experimente gezeigt, in denen die Schlangen eine rennende Ratte präzise hinter den Ohren packten. Damit konnten sie das Beutetier nicht nur schnell töten, sondern gleichzeitig auch dessen scharfen Zähnen ausweichen. Warum diese Sinnesorgane so effektiv funktionieren, obwohl sie aus nichts anderem bestehen als aus einer über der Vertiefung gespannten, wärmeempfindlichen Membran, war Forschern bisher jedoch ein Rätsel.
Um diese Frage zu klären, simulierten Wissenschaftler um Leo van Hemmen in ihrem Modell nun die Umwandlung der Nervensignale, die von einer solchen Membran ausgehen, zu einem Bild. Da die Signale durch die Bewegung des Beutetiers und andere Störfaktoren extrem beeinträchtigt sind, müsste eigentlich nicht viel mehr zu erkennen sein als ein unscharfer Fleck. Doch wenn die lichtempfindlichen Nervenzellen auf der Membran in bestimmter Weise miteinander verschaltet sind, heben sich die Störsignale auf und es kann dennoch ein scharfes Bild entstehen, ergaben die Berechnungen der Forscher.
Ob die nächtliche Wahrnehmung bei den Schlangen allerdings auch in der Natur tatsächlich so funktioniert, ist noch ungewiss und müsste in weiteren Tests gezeigt werden. Die Forscher sind jedoch zuversichtlich, dass sie mit ihrem Modell auf dem richtigen Weg sind. “Wenn wir selbst daraufgekommen sind, dann kann das sicherlich auch die Natur”, erklärt van Hemmen im “New Scientist”.
New Scientist, 29. Juli, S. 9 ddp/wissenschaft.de ? Ulrich Dewald