Menschen können die Vorfreude auf eine kommende Belohnung bewusst unterdrücken, haben US-Forscher gezeigt: Indem sie sich gezielt auf etwas anderes konzentrieren, verringern sie die Aktivität ihres Belohnungszentrums im Gehirn und die damit einhergehende Aufregung. Was im ersten Moment wie eine völlig nutzlose Idee klingt, könnte in Zukunft bei der Bekämpfung von Suchterkrankungen helfen: Gelänge es nämlich, Süchtigen diese Fähigkeit anzutrainieren, wären sie nach einem Entzug deutlich weniger rückfallgefährdet.
Die Forscher zeigten 15 Freiwilligen gelbe und blaue Quadrate und gewöhnten sie daran, bei einer der Farben immer auch einen Geldgewinn von vier Dollar zu erwarten. Die Vorfreude auf das Geld spiegelte sich dabei sowohl an der Aktivität im Gehirn, speziell in einer Region namens
Striatum wider, als auch an der Leitfähigkeit der Haut, die als Messgröße für Stress oder Aufregung verwendet wird. Als nächstes teilten die Wissenschaftler ihre Probanden in zwei Gruppen auf: die eine sollte beim Erscheinen der mit der Belohnung verbundenen Farbe expliziert an den Gewinn denken, während die andere die Anweisung bekam, sich auf einen anderen Gegenstand in der entsprechenden Farbe zu konzentrieren ? bei dem blauen Viereck beispielsweise an etwas Blaues, das sie beruhigt, wie zum Beispiel den Ozean.
Diese Strategie hatte messbare Auswirkungen auf das Ausmaß der Vorfreude, ergab die Auswertung: Bei der Ozean-Gruppe sank die Aktivität im Striatum, und auch die Veränderung der Hautleitfähigkeit blieb deutlich unter der der anderen Testteilnehmer. Damit sei erwiesen, dass nicht nur negative Gefühle wie Angst und Stress mit Hilfe einer gezielten Fokussierung der Gedanken bekämpft werden können, schließen die Forscher. Auch positive Gefühle und die emotionale Verbindung eines eigentlich neutralen Reizes mit einer Erwartungshaltung können auf diese Art verändert werden.
Insgesamt scheinen die höheren kognitiven Funktionen des Bewusstseins demnach eine gewisse Befehlsgewalt über unbewusste Abläufe und emotionale Reaktionen zu haben. Das gebe Anlass zu der Hoffnung, dass sich mit einer ähnlichen Strategie auch der für viele Süchtige schier unwiderstehliche Drang nach ihren Drogen in den Griff bekommen lässt, der vor allem dann aufflackert, wenn sie bestimmte Schlüsselreize wahrnehmen.
Mauricio Delgado (Rutgers University, New Jersey) et al.: Nature Neuroscience, Online-Vorabveröffentlichung, DOI: 10.1038/nn.2141 ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel