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CO2-Konzentration über 66 Millionen Jahre kartiert

Erde|Umwelt

CO2-Konzentration über 66 Millionen Jahre kartiert
CO2-Kurve
Diese Kurve zeigt die Entwicklung des atmosphärischen CO2-Gehalts in den letzten 66 Millionen Jahren. © CenCO2PIP/ Science 2023

Unser Klimasystem reagiert noch empfindlicher auf Schwankungen der atmosphärischen CO2-Konzentration als bisher gedacht. Das zeigt eine große Studie, die aus einer Fülle geologischer Erkenntnisse die Geschichte des Kohlendioxids über die letzten 66 Millionen Jahre rekonstruiert hat. Demnach war die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zuletzt vor 14 Millionen Jahren ähnlich hoch wie heute. Da sich die Studie auf Zeitskalen von Jahrtausenden bis Jahrmillionen bezieht, ist sie nicht geeignet, um Klimaveränderungen innerhalb der nächsten Jahrzehnte vorherzusagen. Sie zeigt jedoch, dass wir Menschen die Atmosphäre in nie dagewesener Weise verändert haben und weitere Anstiege der CO2-Konzentration langfristig wahrscheinlich zu einer noch stärkeren Erwärmung führen als bisher angenommen.

Um Rückschlüsse auf das Klima der Vergangenheit zu ziehen, nutzen Forschende eine Vielzahl verschiedener Hinweise. In Gletschern eingeschlossene Luftblasen konservieren die atmosphärischen Bedingungen von damals und ermöglichen direkte Messungen der CO2-Konzentration von vor bis zu 800.000 Jahren. Um noch weiter in die Vergangenheit zu blicken, ist die Wissenschaft auf sogenannte indirekte Proxys angewiesen. Beispielsweise lässt sich aus der Struktur versteinerter Blätter ableiten, wie hoch der CO2-Gehalt in ihrer Umgebung war, als sie gewachsenen sind. Auch unterschiedliche Isotope in Mineralien von Bodenproben oder Mikrofossilien können Aufschluss geben.

Geologische Daten zusammengetragen

„Obwohl jede dieser Proxys umfassend validiert wurde, unterscheiden sich Rekonstruktionen, die auf verschiedenen Proxys basieren, oft erheblich“, erklärt ein Konsortium aus mehr als 80 Forschenden in einer aktuellen Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Science. Unter Leitung der Klimawissenschaftlerin Bärbel Hönisch von der Columbia University in New York hat das Team im sogenannten Cenozoic CO2 Proxy Integration Project (CenCO2PIP) die bisher verfügbaren Erkenntnisse zur CO2-Konzentration der Vergangenheit zusammengetragen, verglichen und neu bewertet.

Dabei betrachteten die Forschenden das gesamte Känozoikum, also die Erdneuzeit, die vor 66 Millionen Jahren begann, als die Dinosaurier ausstarben und die ersten Säugetiere begannen, sich auszubreiten. „Dies ist einer der umfassendsten und statistisch ausgefeiltesten Ansätze zur Interpretation des CO2-Gehalts der letzten 66 Millionen Jahre“, sagt Co-Autor Dustin Harper von der University of Utah in Salt Lake City. „Wir haben gezeigt, dass es möglich ist, mehrere Proxys aus verschiedenen Sedimentarchiven zu kombinieren, sei es im Ozean oder an Land. Das ist in diesem Ausmaß noch nie gemacht worden.“

Bedeutung für die Entwicklung der Ökosysteme

Das Ergebnis der Forschungen ist eine Kartierung der atmosphärischen CO2-Konzentration über die letzten 66 Millionen Jahre. Dabei konnte das Team auch einige bislang bestehende wissenschaftliche Unsicherheiten klären. So schienen manche frühere Untersuchungen darauf hinzudeuten, dass die CO2-Konzentration zu Beginn des Känozoikums relativ niedrig war, obwohl die Temperaturen hoch waren und die Pole nicht von Eiskappen bedeckt waren. Wie das CenCO2PIP-Team erklärt, wiesen jedoch einige dieser Studien methodische Schwächen auf. Bewertungen mit neueren Methoden haben ergeben, dass die CO2-Konzentration vor 66 bis 56 Millionen Jahren wahrscheinlich bei rund 600 bis 700 ppm lag, was besser zu den damaligen Klimabedingungen passt.

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Vor etwa 50 Millionen Jahren stieg der CO2-Gehalt der Atmosphäre auf bis zu 1.600 ppm an und die durchschnittlichen Temperaturen lagen um bis zu 12 Grad Celsius höher als heute – die wärmste Periode der Erdneuzeit. Im Laufe der folgenden Jahrmillionen verringerte sich die CO2-Konzentration wieder und vor etwa 34 Millionen Jahren begann sich das heutige antarktische Eisschild zu bilden. Mit einigen Schwankungen sank der CO2-Gehalt der Atmosphäre weiter. Die Vorfahren der heutigen Tiere und Pflanzen entwickelten sich in dieser Phase des CO2-Rückgangs. „Ein genaueres Verständnis der vergangenen CO2-Trends ist daher von zentraler Bedeutung, um zu verstehen, wie moderne Arten und Ökosysteme entstanden sind und wie sie sich in Zukunft entwickeln könnten“, schreibt das Forschungsteam.

Menschengemachter Anstieg

Vor etwa 16 Millionen Jahren lag der CO2-Wert mit rund 480 ppm zuletzt konstant höher als heute; vor etwa 14 Millionen Jahren sank er leicht auf 420 ppm ab– den Wert, den wir heute durch menschliche Treibhausgasemissionen wieder erreicht haben. Vor 2,5 Millionen Jahren war die CO2-Konzentration auf etwa 270 bis 280 ppm gesunken, was zu mehreren Eiszeiten führte. Auf einem ähnlichen Niveau lag er, als vor rund 400.000 Jahren der moderne Mensch entstand. Erst als wir vor etwa 250 Jahren begannen, in großem Stil Treibhausgase in die Atmosphäre auszustoßen, begann die Konzentration wieder zu steigen.

Da die Studie die klimatischen Entwicklungen auf Zeitskalen von hunderttausenden von Jahren betrachtet, ist sie nicht darauf ausgelegt, kurzfristige Vorhersagen zu den Temperaturen der kommenden Jahrzehnte zu treffen. „Dennoch hat sie wichtige Implikationen für die gegenwärtige Klimapolitik“, sagte Co-Autorin Dana Royer von der Wesleyan University in Connecticut. „Sie bestätigt, was wir bereits zu wissen glaubten, und zeigt, dass es kaskadenartige Auswirkungen gibt, die über Tausende von Jahren anhalten werden.“ Die Ergebnisse legen nahe, dass der Anstieg von CO2 die Atmosphäre noch stärker erwärmt als bisher prognostiziert.

„Unabhängig davon, um wie viel Grad sich die Temperatur genau ändert, ist klar, dass wir den Planeten bereits in einen Bereich gebracht haben, in dem unsere Spezies noch nie gewesen ist“, sagt Harpers Kollege Gabriel Bowen. „Das sollte uns dazu veranlassen, innezuhalten und uns zu fragen, was der richtige Weg für die Zukunft ist.“

Quelle: Cenozoic CO2 Proxy Integration Project Consortium, Science, doi: 10.1126/science.adi5177

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