“Hergehört – das ist mein Revier”, oder “Hallo die Damen – ich bin ein schicker Blaumeiserich”: Vermenschlicht ausgedrückt, sind das Botschaften, die Blaumeisen mit ihrem Gesang verbreiten. Ihr Zwitschern und das anderer Singvögel ist mit der Partnersuche oder mit Konkurrenzverhalten verbunden. Außerdem gelten die Männchen als die engagierteren Sänger – Weibchen als vergleichsweise “singfaul”. Doch Forschungsergebnisse der letzten Jahre haben gezeigt, dass Vogelgesang vielschichtiger ist als bisher angenommen. Es gab auch bereits Hinweise, dass zumindest männliche Blaumeisen singen, wenn Gefahr droht. Diesem Verhalten sind österreichische Forscher nun erneut nachgegangen.
Raubvogel-Attrappen werden besungen
Sie konfrontierten dazu männliche und weibliche Blaumeisen in der Nähe ihres Nestes mit Attrappen von Räubern: “Wir bedrohten das Gelege von Blaumeisen entweder mit einer Attrappe eines Sperbers, also einem Greifvogel, oder einer Äskulapnatter. Dann haben wir die Reaktionen analysiert”, erklärt Herbert Hoi vom Konrad Lorenz Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Veterinärmedizinischen Universität Wien.
Es zeigte sich: Beide Geschlechter reagierten auf Bedrohung mit Gezwitscher. Der Gesang der Weibchen ähnelte dabei stark dem der Männchen, berichten die Forscher. Interessanterweise zwitscherten die Vögel allerdings nur gegen den Greifvogel an – die Schlange führte nicht zu den tönenden Reaktionen. Den Forschern zufolge könnte der Grund dafür sein, dass der Sperber eine direkte Gefahr für die ausgewachsenen Vögel darstellt. Die Schlange ist hingegen nur eine Bedrohung für das Gelege. Offenbar wird also nur die eigene Lebensgefahr besungen.
Wozu der Gefahren-Gesang?
Doch warum? Eigentlich scheint das Verhalten unsinnig: Man könnte annehmen, dass die Vögel durch den Gesang zusätzliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Doch den Forschern zufolge könnte die Botschaft des Gesangs möglicherweise lauten: “Keine Chance, ich habe dich gesehen!” Hoi erklärt: “Möglicherweise deuten die Tiere eine erhöhte Fluchtbereitschaft an. Sie zeigen dem Räuber, dass sie ihn entdeckt haben und jederzeit flüchten können”, so der Biologe. Alternativ ist auch noch eine andere Erklärung möglich: Die Gegenwart eines Räubers bedeutet großen Stress. Der Gesang könnte also auch durch einen hormonbedingten Reiz des Körpers entstehen oder in den Worten von Konrad Lorenz eine “Übersprungshandlung” darstellen.
Einen Hilferuf der Weibchen schließen die Forscher dagegen aus. In mehreren Fällen war das Männchen während des Versuchs in der Nähe. Beide sangen dann gemeinsam. Der gemeinsame Gesang könnte in diesem Fall wie ein gegenseitiges Mut zusprechen wirken, was den Zusammenhalt des Vogelpärchens stärkt, erklären die Forscher.
Sie sehen nun noch viel Forschungspotenzial beim Thema Funktion des Vogelgesangs. Vor allem das Zwitschern der Weibchen ist dabei interessant. Es zeichnet sich ab, dass auch sie über eine Vielzahl an Gesangsmustern verfügen. “Unsere Arbeit bestätigt die Annahme, dass Weibchen ihren Gesang vielseitiger einsetzen als angenommen. Es bedarf aber noch weiterer Untersuchungen um die unterschiedlichen Gesangsmuster genau beurteilen zu können”, meint Hoi.
Quelle: Veterinärmedizinischen Universität Wien