Gelangt Erdöl in Seen und Flüsse, gefährdet es die dortigen Ökosysteme und verunreinigt gleichzeitig potenzielles Trinkwasser. Abhilfe schaffen kann eine chemiefreie, von der Natur abgeschaute Methode, mit der sich Ölverschmutzungen wieder aus dem Wasser entfernen lassen. Möglich wird dies durch ein Textil mit wasserabweisender Oberfläche, an das das Öl durch Adhäsion bindet. Anschließend transportiert die Oberfläche das angelagerte Erdöl wie von selbst in entsprechende Abfangbehälter.
Als im Jahr 2010 die Bohrinsel Deepwater Horizon im Golf von Mexiko explodierte, gingen dramatische Bilder um die Welt. Pechschwarz überzogene, verendete Seevögel, tot angespülte Delfine und ein Ölteppich größer als das Saarland. Die sich schnell ausbreitende Ölpest konnte damals kaum eingedämmt werden und hat auch einzigartige Ökosysteme der Karibik und an der Südküste der USA nachhaltig geschädigt. Doch auch jenseits solcher Großkatastrophen kann auslaufendes Erdöl schwerwiegende Folgen für Gewässer und Ufer haben. Bereits kleine Mengen Öl verbreiten sich als dünner, schmieriger Film rasant über große Flächen und gefährden dabei Tiere und Pflanzen ebenso wie Trinkwasserressourcen.
Methode ist aus der Natur abgeschaut
Abhilfe schaffen könnte eine Methode, das Forschende um Wilhelm Barthlott von der Universität Bonn entwickelt haben. Denn es kann auch kleinere Ölverunreinigungen beseitigen und eignet sich auch für den Einsatz in Binnengewässern. Es beruht auf dem physikalischen Prinzip der Adsorption, das sich die Forschenden aus der Natur abgeschaut haben. Barthlott ist als Entdecker des sogenannten Lotuseffektes bekannt. Er und sein damaliges Team haben vor einigen Jahren herausgefunden, dass raue Mikrostrukturen auf der Blattoberfläche einer Lotusblume Wassertropfen sofort abperlen lassen und Schmutzpartikel dabei direkt mitreißen. Aus der Industrie ist dieser Effekt mittlerweile nicht mehr wegzudenken.
Und auch bei dem neuartigen Ölabsorber spielen Pflanzenstrukturen eine entscheidende Rolle. Auf der Suche nach der optimalen Oberflächenstruktur für ihren „Ölfänger“ testeten Barthlott und seine Kollegen verschiedene Pflanzenarten auf ihre öladsorbierenden Eigenschaften. Anders als bei der Absorption wird bei der Adsorption das Öl nicht ins Innere der Pflanze aufgenommen, sondern lediglich äußerlich an deren Oberfläche angelagert. Am besten gelingt dies dem Schwimmfarn Salvinia molesta, wie die Experimente zeigten. Im nächsten Schritt übertrugen die Forschenden die komplexe Oberflächenstruktur des Farns auf geeignete Funktionstextilien und entwickelten so ihren „Bionischen Öl-Adsorber“.
Industrielle Produktion schon in naher Zukunft
Der Öl-Adsorber funktioniert in der Praxis folgendermaßen: An einem schwimmenden Sammelbehälter sind öladsorbierende Textilien in sechs Zentimeter breiten Streifen befestigt. Das eine Ende der Streifen ragt in den Behälter, das andere in das umgebene, verunreinigte Wasser. „In diesem untergetauchten Teil befindet sich zunächst ein Luftfilm, der anschließend durch adsorbiertes Öl ersetzt und in den Lagerbehälter transportiert wird“, erklären die Wissenschaftler. Durch die Adhäsion und den Transport entlang der Oberfläche wandert das ausgelaufene Öl „wie von selbst“ – also ohne jeglichen Energieaufwand – in den Behälter. „Der kann dann entleert und das Öl gegebenenfalls sogar wiederverwendet werden“, berichtet Barthlott.
Das Verfahren ist nicht nur energieeffizient, sondern auch sehr leistungsfähig. Die Tests des Forschungsteams ergaben, dass selbst ein vergleichsweise kleiner Prototyp bereits bis zu drei Liter Öl pro Stunde von einer Gewässeroberfläche sammeln kann. Wie schnell genau der Bionische Öl-Adsorber ein verschmutztes Gewässer reinigt, hängt aber auch von der Beschaffenheit des Öls ab. So könne etwa Diesel aufgrund seiner geringeren Zähflüssigkeit 50-mal schneller transportiert werden als Motoröl, erklärt Barthlott. Neben der Verwendung der Technik in verschmutzten Binnengewässern sei auch ein Einsatz im Bereich der Schifffahrt oder in industriellen Anlagen denkbar. Barthlott schätzt, dass der Bionische Öl-Adsorber aufgrund der überzeugenden Testergebnisse schon zeitnah industriell produziert werden kann.
Quelle: Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU); Fachartikel: Philosophical Transactions of the Royal Society A, doi: 10.1098/rsta.2019.0447