Nicht nur Olivenbaum, Raps und Co – auch die Blaualgen genannten Cyanobakterien können Öl herstellen, haben Forscher festgestellt. In den Winzlingen steckt somit Potenzial für die nachhaltige Futter- oder Treibstoff-Produktion, sagen die Wissenschaftler. Denn die Energiequelle der Cyanobakterien ist das Licht, sie benötigen keine Ackerflächen und ihre Ölproduktion lässt sich möglicherweise gezielt steigern.
Energiereiche Substanzen der besonderen Art – Öle und Fette aus Pflanzen haben eine fundamentale Bedeutung für den Menschen: Sie dienen unserer Ernährung, als Futtermittel und bilden die Grundlage zahlreicher Produkte – von der Hautcreme bis zum Biodiesel. Die pflanzliche Ölherstellung basiert auf den Produkten der Photosynthese – die energiereichen Verbindungen entstehen somit letztlich durch Licht, Wasser und Kohlendioxid. Dennoch ist die Ölherstellung durch Pflanzen bekanntlich nicht unbedingt nachhaltig und klimafreundlich: Monokulturen wie Rapsfelder oder Palmölplantagen verbrauchen enorme Flächen und sind damit aus ökologischer Sicht problematisch. Alternative Möglichkeiten zur Bio-Ölproduktion sind deshalb gefragt.
Photosynthese-Mikroben im Visier
Bislang ging man davon aus, dass die Cyanobakterien dafür nicht infrage kommen, da nur von „echten“ Pflanzen eine Fähigkeit zur Ölproduktion bekannt war. Denn obwohl sie Photosynthese betreiben und ihr Spitzname „Blaualgen“ es anders vermuten lässt, unterscheiden sich diese Organismen in vielen Merkmalen erheblich von den Pflanzen. Mit Raps und Co sind die Cyanobakterien sogar weniger verwandt als etwa mit unseren Darmbakterien. Dennoch gibt es eine interessante Verbindung zu den Pflanzen: Man nimmt an, dass die für die Photosynthese in Pflanzenzellen verantwortlichen Chloroplasten gleichsam einverleibte Cyanobakterien sind: Der sogenannten Endosymbionten-Hypothese zufolge hat vor über einer Milliarde Jahren eine Ur-Pflanzenzelle ein Cyanobakterium „verschluckt“. Das Bakterium lebte danach in der Zelle weiter und versorgte sie mit Photosynthese-Produkten.
Dieser Zusammenhang bildete nun die Grundlage der aktuellen Studie. Das Forscherteam um Peter Dörmann von der Universität Bonn beschäftigt sich bereits seit einiger Zeit mit einem Enzym, das in den Chloroplasten aktiv ist und eine Rolle bei der pflanzlichen Ölsynthese spielt. So kam der Gedanke auf: „Wenn die Endosymbionten-Hypothese stimmt, könnte das Ölsynthese-Enzym der Chloroplasten auch in Cyanobakterien vorkommen“, erklärt Dörmann. Dieser Möglichkeit sind er und seine Kollegen zunächst durch genetische Untersuchungen nachgegangen. Dazu haben sie das Erbgut von Synechocystis-Cyanobakterien nach Genen durchsucht, die der Erbanlage für das bekannte pflanzliche Ölsynthese-Enzym ähneln.
Erstmals „Cyanobakterien-Öl“ nachgewiesen
Und sie wurden fündig: Die Forscher stießen auf ein Gen für eine sogenannte Acyltransferase – zu dieser Gruppe zählen auch die aus Pflanzen bekannten Ölsynthese-Enzyme. In weiteren Untersuchungen konnten sie dann nachweisen, dass diese Erbanlage auch tatsächlich zu einer Produktion von geringen Mengen an bisher unbekannten Speicher-Ölen in den untersuchten Cyanobakterien führt. Es handelt sich dabei um Triacylglycerole und Wachsester, berichten die Forscher. Wie sie betonen, ist dieses Ergebnis aus evolutionsbiologischer Sicht sehr interessant: Es liefert Hinweise darauf, dass ein bestimmter Teil der Ölsynthese-Maschinerie der pflanzlichen Chloroplasten tatsächlich auf die Cyanobakterien zurückgeht.
Doch vielleicht noch wichtiger ist das praktische Potenzial, das in der Erkenntnis steckt: Möglicherweise lassen sich durch Cyanobakterien nachhaltig Futtermittel oder Biokraftstoffe herstellen, sagen die Wissenschaftler. Denn anders als Ölpflanzen wie Raps benötigen die genügsamen Wasserbewohner keine Ackerflächen – ein Behälter mit Kulturmedium sowie Licht und Wärme reichen aus.
„Es gibt zwar bereits Versuche, durch pflanzliche Grünalgen Öle herzustellen“, sagt Dörmann. „Diese Eukaryoten sind aber schwierig zu halten und außerdem lassen sie sich nicht so einfach biotechnologisch auf eine möglichst hohe Ölproduktionsrate optimieren.“ Ihm zufolge könnte dies bei den prokaryotischen Cyanobakterien anders sein. Dörmann räumt ein, dass die bisher untersuchte Art nur sehr geringe Mengen Öl herstellt. „Es ist aber durchaus möglich, dass andere Arten deutlich ertragreicher sind“, sagt der Wissenschaftler. Außerdem bietet die Biotechnologie Möglichkeiten: Blaualgen lassen sich relativ einfach genetisch modifizieren – ähnlich wie andere Bakterien auch. „Es ist also gut möglich, dass sich der Ölertrag auf biotechnologischem Wege noch einmal deutlich steigern lässt“, meint Dörmann.
Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Fachartikel: PNAS, doi: 10.1073/pnas.1915930117