Gut 80 Prozent der heimischen Blütenpflanzen werden von Insekten bestäubt: Erst Bienen, Fliegen oder Schmetterlinge übertragen den Pollen auf die weiblichen Blütenstände der Pflanzen und sichern dadurch deren Fortpflanzung. Viele Pflanzen haben daher im Laufe der Evolution ihre Blüten so angepasst, dass Farbe und Duft besonders verlockend für die bestäubenden Insekten sind – denn dies optimiert ihre Fortpflanzung.
Klare Effekte schon nach neun Generationen
Jetzt jedoch enthüllt ein Experiment, dass Bestäuberinsekten diese Evolution von Pflanzen überraschend stark und vor allem schnell beeinflussen: Sie entpuppen sich als wahre Gärtner. Für ihren Versuch nutzten Forscher der Universität Zürich Rübsenpflanzen, eine Kohlart und ein naher Verwandter des Raps. Florian Schiestl und seine Kollegen ließen eine Rübsengruppe über neun Generationen lang nur von Hummeln bestäuben, eine andere nur von Schwebefliegen, und eine dritte bestäubten sie von Hand. Danach verglichen sie die Pflanzen.
Das Ergebnis: Schon nach nur neun Generationen unterschieden sich die Pflanzen je nach Bestäuber erstaunlich stark: Die von Hummeln bestäubten Pflanzen waren größer und hatten stärker duftende Blüten mit mehr UV-Farbanteil – eine Farbe, die von Bienen und ihren Verwandten gesehen wird. Die von Schwebefliegen bestäubten Pflanzen hingegen waren kleiner, ihre Blüten dufteten weniger und bestäubten sich deutlich häufiger selbst.
Gezielte “Zucht” durch die Bestäuber
Dass solche Unterschiede schon nach neun Generationen so klar erkennbar werden, überraschte selbst die Forscher: “Traditionell geht man davon aus, dass die Evolution langsam verläuft”, erklärt Schiestl. Doch offensichtlich können Bestäuberinsekten eine sehr viel schnellere Veränderung bewirken als man es bisher annahm. Das aber bedeutet auch: “Eine veränderte Zusammensetzung von Bestäuberinsekten in natürlichen Lebensräumen kann einen rapiden evolutiven Wandel bei Pflanzen bewirken”, so Schiestl.
Wie aber kommen diese Veränderungen zustande? Nach Angaben der Biologen steckt ein ähnlicher Mechanismus dahinter wie bei der gezielten Zucht von Pflanzen durch menschliche Gärtner: Die Bestäuberinsekten haben bestimmte Vorlieben in Bezug auf ihre Nahrungspflanzen und besuchen daher bevorzugt die Blüten, die diesen Vorlieben entsprechen. Dadurch werden Pflanzen mit bestimmten Eigenschaften häufiger bestäubt und vermehren sich stärker – bei den Hummeln beispielsweise Pflanzen mit großen, stark duftenden Blüten.
Langfristig droht genetische Verarmung
Fehlen die Bienen und Hummeln jedoch, bleiben nur die weniger effektiven Fliegen als Bestäuber übrig. In diesem Falle helfen sich die Pflanzen sozusagen selbst, indem sie zusätzlich verstärkt Selbstbestäubung praktizieren. Dies könnte auch im Freiland bereits in solchen Gebieten der Fall sein, in denen Bienen und Hummeln durch Pestizide und Bienensterben rar geworden sind – und sich in Zukunft noch verstärken.
Langfristig aber kann das negative Folgen haben, wie Schiestl erklärt. Denn wenn Pflanzen sich anpassen, indem sie den Verlust effektiver Bestäuber durch mehr Selbstbestäubung ausgleichen, käme dies einer Art genetischer Inzucht gleich: Im Laufe der Zeit sinkt dadurch die genetische Variabilität einer Pflanzenpopulation und die Pflanzen werden krankheitsanfälliger und weniger widerstandsfähig gegenüber Umweltveränderungen.
Quelle: Universität Zürich