Es reguliert unseren Zuckerstoffwechsel und wenn es fehlt, heißt die Diagnose Diabetes: Das Insulin ist ein Schlüsselhormon im Körper von Mensch und Tier. Doch wie ist das bei Pflanzen – haben auch sie so etwas wie Insulin? Wie Forscher berichten, übernimmt das Molekül T6P in Pflanzen eine ähnliche Funktion. Seine Bedeutung im pflanzlichen Zuckerstoffwechsel untersuchen sie sogar an Mutanten, die man mit Diabetikern vergleichen könnte.
Zucker ist der Treibstoff in unserem Körper – und der sollte optimal reguliert sein. Dafür sorgt bei Mensch und Tier das Hormon Insulin. Nach dem Verzehr von zucker- oder stärkehaltigen Lebensmitteln steigt der Zuckerspiegel im Blut an und regt bei den Betazellen der Bauchspeicheldrüse die Ausschüttung von Insulin an. Dieser Botenstoff veranlasst die Zellen des Körpers dazu, Zucker aus dem Blut aufzunehmen. Dort kann er dann der Energiegewinnung dienen oder wird in Speichersubstanzen verwandelt. Ist dieses System gestört, kommt es zu einer Diabeteserkrankung: Wird nicht mehr genügend Insulin gebildet, wird der Energiestoffwechsel des Körpers beeinträchtigt und der übermäßige Zuckergehalt im Blut kann Gewebe schädigen.
Auch bei Pflanzen ist Regulation wichtig
Wie das Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam berichtet, müssen auch Pflanzen ihren Zuckerstoffwechsel optimal einstellen. Im Gegensatz zu uns müssen sie die Substanz allerdings nicht aufnehmen – sie stellen sie selber her: Im Rahmen der Fotosynthese erzeugen sie aus Licht, Wasser und Kohlendioxid diese energiereichen Verbindungen. Anschließend läuft es dann aber ähnlich wie bei uns: Der Zucker muss gezielt den Zellen mit erhöhtem Energiebedarf zugeführt beziehungsweise in Reservestoffe verwandelt werden.
Diese Prozesse reguliert ein Molekül namens Trehalose-6-phosphat (T6P), berichtet das MPI für Molekulare Pflanzenphysiologie. Die Arbeitsgruppe um John Lunn erforscht dort seit einiger Zeit dieses wichtige Element des pflanzlichen Stoffwechsels. Wie die Wissenschaftler erklären, steigt der T6P-Spiegel bei steigendem Zuckergehalt in einer Pflanze an – vergleichbar der Insulinausschüttung bei Mensch und Tier. Wenn die Pflanze während der Fotosynthese am Tag zu viel Zucker produziert, sorgt der T6P Anstieg in den Blättern dafür, dass ein Teil des neu fixierten Kohlenstoffs genutzt wird, um andere organische Verbindungen zu bilden. Nachts, wenn aus den über den Tag angelegten Stärkereserven dann erneut Zucker gewonnen wird, hemmt ein hoher T6P-Wert diesen Abbau ab einem bestimmten Punkt, erklären die Forscher. So wird verhindert, dass die Pflanze mehr Zucker herstellt, als sie für ihr Wachstum verwenden kann. In den wachsenden Teilen der Pflanze signalisiert der T6P-Spiegel wiederum, wie viel Zucker für die Stoffwechselfunktionen verfügbar ist.
Einblicke in die Funktion des „Pflanzen-Inulins“
In einer aktuellen Untersuchung haben Lunn und seinen Kollegen nun Einblicke gewonnen, wie die T6P-Signalübertragung funktioniert und wo sie stattfindet: Sie konnten an der Modellpflanze Arabidopsis thaliana zeigen, dass die Herstellung dieses Botenstoffs in den Regionen des Blattes erfolgt, in denen der Zucker in das sogenannte Phloem übertragen wird. Dabei handelt es sich um die Leitungssysteme, die Blätter mit den besonders energiebedürftigen Teilen der Pflanze verbinden. „Somit sind diese Phloem-Ladezonen ein strategisch wichtiger Ort für die Überwachung, wie viel Zucker hergestellt wird und wie viel verbraucht wird“, sagt Lunn.
Außerdem konnten sie zeigen, welche Komponenten des Moleküls notwendig sind, damit die T6P-Signalübertragung korrekt funktioniert. Die entsprechenden Versuche wurden mit speziellen Mutanten-Pflanzen durchgeführt, bei denen die T6P-Signalübertragung nicht richtig funktioniert. Wie die Forscher erklären, schließt sich auch dabei die Analogie zum Insulin bei Mensch und Tier: Diese Pflanzen lassen sich mit Diabetikern vergleichen, da sie ebenfalls ihren Zuckerhaushalt nicht richtig regulieren können. Sie zeigen dadurch Wachstumsstörungen, was verdeutlicht, welche wichtige Rolle das Insulin-artige Molekül im Leben der Pflanzen spielt.
Quelle: Max-Planck-Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie