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Bakterien in Datenrekorder verwandelt

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Bakterien in Datenrekorder verwandelt
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Kleine Rekorder-Symbole in Bakterienzellen. (Illustration: Ravi Sheth)
Durch molekulare Tricks haben Forscher Bakterien in “Aufnahmegeräte” verwandelt, die bestimmte Signale dokumentieren und die Daten sogar mit einem Zeitstempel versehen können. Sie nutzten dazu in clevere Weise das Immunsystem der Mikroben. In dem Konzept steckt ihnen zufolge enormes Potenzial: Bakterielle Rekorder könnten beispielsweise im Körper von Patienten Daten sammeln oder bei der Umweltüberwachung zum Einsatz kommen.

Die Entwicklung der Forscher um Harris Wang vom Columbia University Medical Center in New York basiert auf einem System, das eigentlich als genetisches Werkzeug berühmt geworden ist: Crispr/Cas. Sie nutzten es allerdings in seiner ursprünglichen Funktionsweise – der vollständige Crispr/Cas-Komplex ist ein bakterielles Immunsystem, das die Mikroben vor dem Befall von Viren schützt. Im “Crispr-Archiv” des Bakterien-Erbguts werden dazu DNA-Schnipsel von eindringenden Viren gesammelt und an nachfolgende Generationen weitergegeben. Wenn die gleichen Viren erneut angreifen und ihr schädliches Erbgut in die DNA der Bakterien einbauen, kann das Crispr/Cas-System diese Sequenzen erkennen und wieder ausschneiden.

Crispr/Cas ungewöhnlich genutzt

Diese Spezifität bei der DNA-Schneidefunktion hat Crispr/Cas zum Hit in der Genetik gemacht: Präzise Veränderungen in den Genomen von kultivierten Zellen, Labortieren und sogar Menschen sind möglich. Derzeit laufen über ein Dutzend klinische Studien zur Behandlung verschiedener Krankheiten durch eine Crispr/Cas-Gentherapie. Doch im Gegensatz zu diesen Projekten stand bei Wang und seinen Kollegen nun die Fähigkeit zur Datensammlung des Crispr/Cas-Systems im Zentrum.

Um ihre skurrilen Rekorder zu bauen, nutzten sie zwei sogenannte Plasmide. Es handelt sich dabei um ringförmige Erbgutträger in den Bakterienzellen. Eines dieser beiden Plasmide modifizierten sie so, dass es in Reaktion auf ein externes Signal mehr Kopien von sich selbst in der Bakterienzelle erzeugt. Bei dem zweiten Plasmid handelte es sich um das Aufzeichnungselement: Die Forscher rüsteten es mit den Rekorderkomponenten des Crispr/Cas-Systems aus.

Ist das Bakterium nun mit dem Auslöser-Signal konfrontiert, wird in das Rekorderplasmid ein Stück des ersten Plasmids eingebaut, das sich in Reaktion auf das Signal vervielfältigt. Liegt hingegen kein Signal vor, baut das Rekorderplasmid stattdessen nur Platzhalter-DNA-Schnipsel in sein Speicherelement ein, erklären die Forscher. Es entsteht somit eine Folge von Platzhalter-DNA-Elementen, die als Zeitmesser dienen und den DNA-Stücken, die in der Folge des Signals entstanden sind. Um die Daten zu lesen, müssen die Forscher das Rekorderplasmid nur sequenzieren und auswerten.

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Potenzial als Forschungssonden im Verdauungstrakt

Als Versuchsorganismus diente den Wissenschaftlern das berühmte Labor-Bakterium Escherichia coli, das natürlicherweise auch im menschlichen Darm vorkommt.
Bei den Tests des Systems setzten sie drei Wirkstoffe als Signalsubstanzen ein: Kupfer, Trehalose und Fucose. Wie sich zeigte, konnte das System die Anwesenheit dieser Stoffe tatsächlich aufzeichnen und die Abfolge ihres Auftretens mit einem Zeitstempel versehen.

Wie die Forscher betonen, sind prinzipiell viele verschiedene Auslöser-Stoffe denkbar. Damit zeichnen sich ihnen zufolge nun interessante Anwendungsmöglichkeiten ab – etwa im medizinischen Bereich: “Solche Rekorder-Bakterien, die von einem Patienten eingenommen werden, könnten die Veränderungen aufzeichnen, die sie im gesamten Verdauungstrakt erfahren. So könnten sie eine noch nie da gewesene Sicht auf bisher unzugängliche Phänomene ermöglichen”, sagt Wang. “Wir planen nun, die Systemtauglichkeit verschiedener Signalstoffe zu untersuchen, die sich unter natürlichen oder krankhaften Veränderungen im Magen-Darm-System bilden”, kündigt der Wissenschaftler an.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

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