Pflanzen sind Kohlendioxid-Schlucker: Sie nehmen CO2 aus der Luft auf und lagern es in Form von Kohlenwasserstoffverbindungen in ihren Geweben ein. Daher gilt der Anbau vor allem von schnellwachsenden Pflanzenarten als eine Methode, um zumindest einen Teil der Treibhausgasemissionen aus der Atmosphäre wieder zu entfernen und so den Klimawandel abzupuffern.
Wie effektiv aber diese “grüne” Luftreinigung tatsächlich ist, haben nun Lena Boysen vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) näher untersucht. Dafür simulierten die Forscher, wie viel Fläche man für den Anbau entsprechend geeigneter Pflanzen bräuchte, um in drei verschiedenen Emissionsszenarien den CO2-Ausstoß auszugleichen – einem ungebremsten Emissionsszenario, einem mit gemäßigten Klimaschutzmaßnahmen und einem mit sehr ehrgeizigen CO2-Reduktionen.
Keine Chance bei ungebremstem Ausstoß
Das Ergebnis: Wenn fossile Brennstoffe unvermindert weiter verfeuert werden, helfen auch keine Pflanzen mehr. Die Plantagen für die grünen CO2-Schlucker müssten in diesem Falle so groß sein, dass sie entweder den Großteil der natürlichen Ökosysteme oder aber viele für die Nahrungsproduktion benötigte Felder und Äcker verschlingen würden. “Sogar wenn wir wachstumsstarke Pflanzen wie Pappeln oder Elefantengras nutzen könnten und die Hälfte des in ihnen enthaltenen CO2 speichern könnten, würde im Business-as-usual Szenario die schiere Größe der Pflanzungen verheerende Auswirkungen auf die Umwelt haben”, berichtet Boysen.
Wer glaubt, dass die Menschheit im Notfall durch die Hilfe der Pflanzenwelt vielleicht noch das Schlimmste abwenden kann, der irrt demnach. “Unsere Arbeit zeigt, dass der Entzug von CO2 über die Biosphäre nicht als letzte Notlösung für die Klimakrise genutzt werden kann”, sagt Tim Lenton von der Universität Exeter.
Bestenfalls unterstützend
Ähnlich sieht es beim mittleren Szenario aus, das den bisherigen Ankündigungen beim Klimagipfel von Paris entspricht. Auch dann müssten bis 2050 enorme Flächen mit CO2-Puffern bepflanzt werden. Die benötigte Fläche entspräche einem Drittel aller heute existierenden Wälder oder mehr als einem Viertel aller heute für die Landwirtschaft genutzten Flächen – was ein erhebliches Risiko für die Ernährungssicherheit wäre. Konkurrenz und Konflikte um die Landnutzung wären vorprogrammiert.
Selbst im günstigen Klimaschutz-Szenario würden Pflanzen nur dann einen vollständigen Ausgleich der CO2-Emissionen leisten, wenn massive Umstellungen und Optimierungen bei der Landwirtschaft und im Anbau der Biomasse erfolgen, wie die Forscher erklären. “Nur der starke Einsatz von Bewässerung, Düngung und einer weltweiten Speichermaschinerie, die mehr als 75 Prozent des aus der Luft geholten CO2 erfasst, könnte dann die durchschnittliche Erwärmung auf weniger als 2°C begrenzen”, sagt Boysen. “Hierzu müsste es deutliche Verbesserungen bei Anbau, Ernte, Transport und Nutzung der Biomasse geben.”
Keine Ausrede für das Nichthandeln
Zusammenfassen bedeutet dies: Die Hilfe der Vegetation bringt nur dann etwas, wenn schon vorher und auch parallel dazu die Emissionen von CO2 weltweit drastisch heruntergeschraubt werden. “Es gibt keine Alternative zur drastischen Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgasen”, konstatiert Boysen. “Geschieht dies, dann können Pflanzungen eine begrenzte, aber wichtige Rolle spielen – wenn sie gut gemanagt werden.”
“In dem Klima-Drama, das sich gegenwärtig auf dieser großen Bühne abspielt, die wir die Erde nennen, ist das Entziehen von CO2 aus der Luft nicht der große Held und Retter, nachdem alles andere fehlgeschlagen ist. Es ist eher ein Nebendarsteller, der schon vom ersten Akt an mitspielen muss, während die Vermeidung von Emissionen die Hauptrolle spielt”, kommentiert Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des PIK.
Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Fachartikel Earth’s Future, doi: 10.1002/2016EF000469