Ihr knuddelig wirkendes Aussehen hat ihnen den Namen Bärtierchen eingebracht: Bei den wissenschaftlich Tardigraden genannten Wesen handelt es sich um eine artenreiche Gruppe von 0,2 bis 1,0 Millimeter großen Tieren, die nahezu weltweit Gewässer, feuchte Böden und Moose besiedeln. Bärenstark ist auch ihre Fähigkeit, selbst in Lebensräumen wie Grönland oder in der Antarktis zu überleben und sowohl extreme Temperaturen als auch lange Trockenperioden zu überstehen. Je nach Bedarf können sie einfrieren oder eintrocknen und in einem tönnchenförmigen Zustand den Strapazen standhalten. Den ultimativen Stresstest bestanden die Bärtierchen schließlich bei Experimenten im Weltraum: Im getrockneten Zustand umkreisten einige Exemplare zehn Tage lang die Erde und waren direkt dem Vakuum und je nach Experiment auch verschiedenen Strahlungen ausgesetzt. Anschließend erwachten sie unbeschadet wieder zum Leben. Diese erstaunlichen Fähigkeiten haben den Bärtierchen großes Interesse aus dem Bereich der biotechnologischen und medizinischen Forschung eingebracht.
Neue Rekordhalter bei Fremd-DNA
Ein Forscherteam um Bob Goldstein von der University of North Carolina in Chapel Hill widmet sich nun gezielt der genetischen Untersuchung der faszinierenden Winzlinge: Sie sequenzierten das Genom der Art Hypsibius dujardini und verglichen anschließend die erhaltenen Daten mit bekannten genetischen Informationen anderer Lebewesen. Die Untersuchungen offenbarten: 17,5 Prozent des Erbguts dieser Bärtierchen stammt ursprünglich von anderen Organismen. Was den Anteil an Fremd-DNA im Erbgut angeht, sind sie damit nun die Rekordhalter im Tierreich. “Es ist bekannt, dass viele Tiere Fremdgene besitzen, aber wir hatten keine Ahnung, dass dies ein solches Ausmaß erreichen kann”, sagt Goldstein. In anderen Fällen handelt es sich meist nur um weniger als ein Prozent Fremd-DNA.
Die genetischen Analysen zeigten im Detail, dass das Bärtierchen Hypsibius dujardini sich im Laufe seiner Entwicklungsgeschichte insgesamt 6000 Gene vor allem von Bakterien aber auch von Pflanzen, Pilzen und Archäen einverleibt hat. Dies erfolgte über einen Prozess, den man horizontalen Gentransfer nennt – die Übertragung von Erbmaterial zwischen verschiedenen Arten. Sie steht im Gegensatz zur Vererbung durch Elterntiere. Den Forschern zufolge könnten die besonderen Fähigkeiten der Bärtierchen diese Version der Erbgutübertragung besonders begünstigen. Wenn sich ihre Zellen im getrockneten Zustand befinden, könnte ihre DNA sehr empfänglich für fremdes Erbgut sein, das sie beispielsweise über die Nahrung aufnehmen. Es ist bekannt, dass Bärtierchen Schäden an ihrem Erbgut extrem gut reparieren können. Bei dieser Flickarbeit werden möglicherweise auch leicht fremde DNA-Sequenzen eingebaut, vermuten die Forscher. In einigen Fällen könnte dies den Bärtierchen dann Erbinformation verpasst haben, die sie gut gebrauchen konnten.
Geniale Gen-Patente einverleibt?
Den Forschern zufolge machen die Ergebnisse erneut deutlich, dass Übertragung von DNA im Rahmen der Evolution über die elterliche Vererbung hinausgeht. “Um extreme Belastungen überleben zu können, ist es für manche Tiere möglicherweise sehr sinnvoll, sich fremdes Erbgut einzuverleiben – und bakterielle Gene könnten dabei besonders interessant sein, weil sie Widerstandsfähigkeit besser vermitteln könnten als tierische”, sagt Co-Autor Thomas Boothby. “Immerhin haben Bakterien seit Jahrmilliarden extremsten Bedingungen auf der Erde standgehalten”. Im Rahmen der aktuellen Studie haben die Forscher bereits Hinweise darauf gefunden, dass gerade die Fremdgene hinter der geheimnisvollen Zähigkeit der Bärtierchen stecken könnten. Dieser Spur wollen sie nun weiter nachgehen.