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Auslese: Was Forscher diese Woche sonst noch entdeckt haben

Erde|Umwelt

Auslese: Was Forscher diese Woche sonst noch entdeckt haben
Beginnen wir diesmal am Anfang ? beinahe am Beginn des Lebens, wie es heute auf der Erde existiert. Irgendwann kam es dabei zu einer folgenreichen Partnerschaft: Eine vermutlich relativ primitive Urzelle gewährte einer anderen, wohl ebenfalls einfach aufgebauten bakterienartigen Urzelle Obdach in ihrem Inneren. Dort richtete sich der Untermieter häuslich ein und übernahm nach und nach verschiedene Arbeiten für seinen Wirt ? so lange, bis einer ohne den anderen nicht mehr auskam. Heute kennt man den Vermieter als eukaryotische Zelle und den Untermieter als Mitochondrion, jene kleine autarke Einheit in der Zelle, die für die Energieproduktion zuständig ist. Wie jedoch die ursprünglichen Partner hießen oder wie sie aussahen, ist bislang unklar. Zumindest bei den Mitochondrien sind US-Forscher dank einer aufwendigen Genanalyse jetzt jedoch etwas schlauer: Die Zellkraftwerke und Pelagibacter ubique ? ein Meeresbakterium, das wohl mit Fug und Recht behaupten kann, der häufigste Organismus der Welt zu sein ? besitzen offenbar einen gemeinsamen Vorfahren. Das leuchte durchaus ein, sagen die Wissenschaftler: P. ubique besitzt ebenso wie die Mitochondrien ein minimalistisches Genom. Und so, wie P. ubique heute in allen Ozeanen der Welt vorkommt, könnte sein Vorfahr in allen Urmeeren zu Hause gewesen sein. Damit war die Wahrscheinlichkeit, dass er mit dem ursprünglichen Wirt in Kontakt kam, sehr groß. Vermutlich hat der Mito-Urahn sogar gewohnheitsmäßig andere Zellen kolonisiert, spekulieren die Wissenschaftler. Meistens betätigte er sich dabei zwar wahrscheinlich als Schmarotzer, aber wenigstens einmal entstand auf diese Weise eine echte Symbiose ? und damit der Grundstein für die heutigen höheren Zellen. (Cameron Trash, Oregon State University, et al.: Nature Scientific Reports, doi: 10.1038/srep00013)

Bleiben wir bei Zellen, die ein Parasitendasein führen. Denn dazu gehören ? glaubt man einer gewagten These des Zellbiologen Peter Duesberg von der University of California in Berkeley ? auch Krebszellen. Schaue man sich einen Tumor an, sehe man, dass dessen Zellen nicht nur völlig anders aussehen als die des Gewebes, aus dem er ursprünglich entstanden ist. Sie haben auch ein ganz anders zusammengesetztes Erbgut: Chromosomen oder Chromosomenfragmente sind vervielfacht, fehlen oder sind anders zusammengesetzt als beim Menschen. Daher könnte jeder Tumor als neue, eigenständige Art betrachtet werden, so die Argumentation des Wissenschaftlers. Diese lebt wie ein klassischer Parasit innerhalb ihres Wirtes, in diesem Fall des menschlichen Körpers, wird von diesem mit Nahrung versorgt, ist aber ansonsten unabhängig. So gibt es beispielsweise Krebsarten, die ihren Wirt wechseln können ? sie sind ansteckend. Dazu gehört etwa der bösartige Gesichtstumor, der bei Tasmanischen Teufeln auftritt und bei dem eine einzige Zelle reicht, um ein neues Tier zu infizieren. Und ebenfalls wie andere Parasiten bringt Krebs häufig den Fortbestand des Wirtes in Gefahr. Die Karzinogenese, also die Krebsentstehung, wäre demnach nichts anderes als eine neue Form der Artentstehung. Duesberg glaubt, dass sich völlig neue Ansätze zur Behandlung oder Vermeidung von Krebserkrankungen auftun könnten, wenn alle Wissenschaftler und Mediziner seine These akzeptieren würden. (Peter Duesberg, UCB, et al.: Cell Cycle, Bd. 10, Nr. 13, S. 2100)

Sehr viel weniger bedrohlich ist die Entdeckung, die deutsche Forscher zusammen mit Kollegen aus den USA jetzt bei Delfinen gemacht haben: Den Meeressäugern reicht offenbar nicht ein zusätzlicher Sinn ? ihr Echolot ?, sie verfügen auch noch über einen zweiten. Mithilfe spezialisierter Vertiefungen in ihrer Schnauze sind sie in der Lage, schwache elektrische Felder wahrzunehmen, eine Fähigkeit, die erstmals bei einem Säugetier beobachtet worden ist. Vermutlich verwenden die Tiere den Elektrosinn, um Beutetiere aufzuspüren ? und zwar immer dann, wenn die Sicht schlecht ist, die Entfernung aber zu gering, um das Echolot-System anzuwerfen. Entwickelt hat sich die praktische Fertigkeit vermutlich aus einem Teil des Tastsinns, glauben die Forscher: Die Vertiefungen in der Delfinschnauze, in der die für die Felder zuständigen Nervenzellen sitzen, sind die gleichen, in die bei Robben und Walrossen die Schnurrhaare münden. Es könnte also sein, dass sich das mechanische Tastsystem der Schnurrhaare bei den Delfinen zu einem elektrosensitiven Sinn weiterentwickelt hat, so die Biologen. Da viele Säugetiere noch über derartige Überreste verfügen, sei es sogar möglich, dass auch Wale und vielleicht sogar noch ganz andere Tiere elektrische Felder wahrnehmen können. Ganz so gut wie Haie oder Rochen sind die Meeressäuger darin übrigens nicht: Sie spüren Feldstärken ab etwa fünf Mikrovolt pro Zentimeter, während die Fische sogar Felder im Nanovolt-Bereich detektieren können. (Nicole Czech-Damal, Uni Hamburg, et al.: Proceedings of the Royal Society B, Online-Vorabveröffentlichung, doi: 10.1098/rspb.2011.1127)

Um eine ungewöhnliche Art des Wahrnehmens ging es auch in einer Studie britischer Psychologen: Die Forscher testeten, wie gut man seine eigene Mimik erkennt, wenn sie auf einen völlig neutral aussehenden Avatar übertragen wird. Dazu bekamen die Teilnehmer ? sechs Freundespaare ? kurze animierte Videos zu sehen, auf denen ihre eigenen Gesichtsbewegungen, die eines Freundes oder die eines Fremden gezeigt wurden. Überraschenderweise waren sie deutlich besser darin, ihre eigenen Gesichtsbewegungen zu identifizieren als die des jeweiligen Freundes, beobachteten die Wissenschaftler. Das galt auch dann noch, wenn die Gesichter auf dem Kopf standen. Erstaunlich, sagen die Forscher, denn man sieht seine eigene Mimik ja praktisch nie aus der Position eines anderen. Das Erkennen der charakteristischen Bewegungen muss demnach für das eigene Gesicht auf einem anderen Mechanismus basieren als für den vertrauten Anblick des Freundes. Offenbar erzeugt das Gehirn aus der lebenslangen Rückmeldung von Haut, Tastsensoren und anderen Sinnen eine Art Modell der Mimik, das unabhängig von der Perspektive ist. Fundament dieses Modells scheint dabei die zeitliche Abfolge zu sein: Ist sie verändert oder auch nur verlangsamt, funktioniert die Selbsterkenntnis nicht mehr. (Richard Cook, University College London, et al.: Proceedings of the Royal Society B, Online-Vorabveröffentlichung, doi: 10.1098/rspb.2011.1264)

Zum Schluss noch neue Erkenntnisse darüber, warum Magenverkleinerungen ? genauer gesagt Magen-Bypass-Operationen ? häufig so ungemein erfolgreich sind: Der Eingriff scheint die Geschmackspräferenzen der Betroffenen zu verändern ? und zwar so, dass sie nicht mehr so gerne sehr fettreiche Lebensmittel verzehren. Zeigen konnte das ein internationales Medizinerteam in zwei Studienteilen. Im ersten verglichen die Wissenschaftler das Essverhalten von Menschen, deren Magen mit einem Band verkleinert worden war, mit dem von Übergewichtigen nach einer Magen-Bypass-Operation. Bei der Band-Methode wird lediglich das Magenvolumen reduziert, der restliche Verdauungsweg bleibt unangetastet. Bei der Bypass-OP wird dagegen der verkleinerte Magen direkt an den Dünndarm angeschlossen ? der Speisebrei muss also nicht mehr den Zwölffingerdarm passieren. Genau das scheint einen entscheidenden Unterschied zu machen, entdeckten die Forscher: Die Bypass-Patienten nahmen bei ihren täglichen Mahlzeiten wesentlich weniger Fett zu sich als die Magenband-Gruppe. Im zweiten Teil der Studie suchten die Forscher mithilfe von Ratten nach dem Grund dafür. Resultat: Der Eingriff verändert offenbar nicht direkt den Geschmackssinn, sondern erzeugt einen psychologischen Widerwillen gegen Fett. Vermutlich wird der Geschmack unbewusst mit den unangenehmen Gefühlen assoziiert, die die Verdauung von Fetthaltigem in dem verkürzten Verdauungstrakt hervorrufen, spekulieren die Wissenschaftler. Sie versuchen nun, herauszufinden, wie man diesen Effekt auch ohne Operation hervorrufen kann. (Carel Le Roux, Imperial College London, et al.: American Journal of Physiology ? Regulatory, Integrative and Comparative Physiology, Online-Vorabveröffentlichung, doi: 10.1152/ajpregu.00139.2011 )

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wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
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Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
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  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

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