Indirekt war die Existenz von Kuphus polythalamia bereits lange bekannt: Immer wieder wurden in manchen Küstenbereichen der Philippinen seltsame hohle Kalkgebilde gefunden, die aussehen wie Elefantenstoßzähne. Woher genau sie stammen, war unbekannt. Auch die Wesen, die darin hausen, hatte noch niemand gesehen – geschweige denn untersucht. Den Anstoß zu der aktuellen Studie gab nun ein Bericht über den Fund einiger dieser leeren “Elefantenstoßzähne”, die wie Karotten im Schlamm einer flachen Lagune steckten. Dorthin unternahm das Team um Daniel Distel von der Northeastern University in Boston schließlich eine Expedition, um nach dem geheimnisvollen Tier zu suchen.
“Elefantenstoßzähne” führen zum Fund
Und sie waren erfolgreich: Sie entdeckten tatsächlich ein lebendiges Exemplar von
Kuphus polythalamia und brachten es ins Labor. Dort öffneten sie die lange Schale und enthüllten erstmals das Wesen, das darin lebt. “Ich war sprachlos, als ich die Ausmaße dieses bizarren Tieres sah”, sagt Co-Autor Marvin Altamia von der Universität der Philippinen in Manila. Seine Kollegin Margo Haygood von der University of Utah in Salt Lake City berichtet ebenfalls von ihrer Begeisterung: “Ich fühlte mich wie eine Naturforscherin des 19. Jahrhunderts”.
Wie er und seine Kollegen bereits vermutet hatten, handelt es sich um einen ungewöhnlichen Vertreter der Familie der Schiffsbohrwürmer. Eigentlich sind diese Kreaturen gar keine Würmer, sondern Muscheln, deren Körper nur wurmartig verlängert sind. Die bereits bekannten Arten sind als “Termiten der Meere” berühmt-berüchtigt: Sie zerfressen alle Arten von Holzkonstruktionen, die sich im Wasser befinden und machen sie marode, bis sie auseinanderbrechen.
Eine höllisch stinkende Lebensgrundlage
Doch Kuphus hat keinen Appetit auf Schiffe und Co, berichten die Wissenschaftler. Im Gegensatz zu seinen Holz-nagenden Verwandten lebt er in Schlamm, in dem Holz verrottet. Dabei wird Schwefelwasserstoff frei, der einen höllischen Gestank nach faulen Eiern aufweist. Genau diese Substanz ist das Lebenselixier des Riesenwurms. Er frisst sie aber nicht etwa selbst – die Lebensenergie liefern ihm spezielle Bakterien, die in seinen Kiemen wohnen. Die Mikroben nutzen den im Wasser gelösten Schwefelwasserstoff als Energiequelle, um organischen Kohlenstoff zu produzieren. Dieses Verfahren ähnelt der Photosynthese von Pflanzen, bei der sie Sonnenenergie nutzen, um Kohlendioxid in einfache Kohlenstoffverbindungen umzuwandeln.
Wie die Forscher berichten, geben die Bakterien des Riesenwurms ihrem Symbiose-Partner etwas von den Kohlenstoffverbindungen ab, die sie aus Schwefelwasserstoff-Verarbeitung gewinnen. Im Gegenzug bietet Kuphus ihnen in seinen Kiemen optimale Lebensbedingungen. Weil der Wurm gar nicht mehr zu fressen braucht, sind seine Verdauungsorgane aus Mangel an Gebrauch verkümmert, zeigten die Untersuchungen seiner inneren Organe.
Die Entdeckung dieses Wesens erweitert nun unser Verständnis der Biodiversität, resümieren die Forscher ihre Studie. Kuphus polythalamia wird nun auch weiterhin im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit stehen: Sie wollen vor allem die Rolle des Holzes in der Evolutionsgeschichte des Tieres untersuchen. Konkret stellt sich dabei die Frage: Wie konnte er sich aus “normalen” Vertretern der Schiffsbohrwürmer zu einem “Schwefel-Freak” entwickeln?
Co-Autorin Margo Haygood von der University of Utah in Salt Lake City berichtet über die Entdeckungsgeschichte von Kuphus polythalamia. (Credit: Marvin Altamia)