Seit 2003 haben Algenblüten in Küstengebieten weltweit zugenommen. Das zeigt eine Studie anhand von Aufnahmen des NASA-Satelliten Aqua. Demnach sind sowohl die Fläche als auch die Häufigkeit der Blüten aus Phytoplankton gestiegen. Die Studie zeigt zudem Korrelationen mit dem Anstieg der Meerestemperatur sowie Veränderungen der Ozeanzirkulation. Die Ergebnisse können eine Grundlage für umweltpolitische Entscheidungen liefern.
In Meeren und Seen bilden mikroskopisch kleine Algen, das sogenannte Phytoplankton, die Grundlage der Nahrungsnetze. Unter bestimmten Bedingungen können sie sich jedoch massenhaft vermehren. Diese sogenannten Algenblüten können andere Organismen mit Nahrung und Nährstoffen versorgen, sind aber oft auch mit negativen Auswirkungen verbunden. So geben einige Phytoplanktonarten Toxine ab, die sich in den Nahrungsnetzen ansammeln können. Zudem kommt es schnell zu Sauerstoffmangel, da die dichten Algenteppiche den Lichteinfall dämpfen und zudem mehr Sauerstoff verbraucht wird. Infolgedessen können sich in zuvor intakten Ökosystemen sogenannte tote Zonen bilden. Ein erhöhter Nährstoffeintrag in Gewässer, insbesondere durch die Landwirtschaft, fördert die Entstehung von Algenblüten.
Satellitendaten als Grundlage
„Prognosen zufolge werden die Häufigkeit und Verbreitung von Algenblüten im Zuge des Klimawandels zunehmen, wobei einige Veränderungen negative Auswirkungen auf aquatische Ökosysteme, Fischerei und Küstenressourcen haben werden“, schreibt ein Team um Yanhui Dai von der Southern University of Science and Technology in Shenzhen in China. „Unser bisheriger Kenntnisstand erlaubte uns jedoch nicht, einzuschätzen, ob sich Algenblüten in den letzten Jahrzehnten weltweit verändert haben.“ Grund dafür ist, dass bisherige Aufzeichnungen an verschiedenen Orten der Welt uneinheitliche Methoden nutzten, unterschiedliche Zeiträume umfassten und sich auf verschiedene spezifische Ökosysteme bezogen.
Um einen einheitlichen Datensatz zu schaffen, haben Dai und sein Team nun erstmals auf globaler Ebene erfasst und analysiert, wie sich Algenblüten im 21. Jahrhundert entwickelt haben. Dazu werteten sie 760.000 Bilder aus, die der NASA-Satellit Aqua zwischen 2003 und 2020 von den Gewässern der Welt aufgenommen hat. Anhand der Bilder konnte das Forschungsteam mit einer Genauigkeit von einem Kilometer bestimmen, wann und wo Algenblüten in welchem Ausmaß auftraten. Da der Satellit zusätzlich zahlreiche weitere Daten erfasste – darunter beispielsweise zur Meerestemperatur – konnten Dai und sein Team zudem mögliche Einflussfaktoren in die Analyse einbeziehen.
Häufigere und ausgedehntere Algenblüten
Das Ergebnis: „Von den 153 Küstenregionen, die wir analysierten, waren 126 von Algenblüten betroffen“, berichtet das Team. Die gesamte von Algenblüten betroffene Fläche betrug im Jahr 2020 31,47 Millionen Quadratkilometer – mehr als die Hälfte davon allein an den Küsten Europas und Nordamerikas, die flächenmäßig den größten Anteil hatten. Weniger ausgedehnt, dafür aber am häufigsten traten Algenblüten rund um Afrika und Südamerika auf. Im Durchschnitt der zwei analysierten Jahrzehnte verzeichneten die Forschenden dort durchschnittlich mehr als sechs Algenblüten pro Jahr, im globalen Durchschnitt waren es 4,3 Algenblüten pro Jahr.
Im zeitlichen Verlauf stellten Dai und sein Team einen deutlichen Anstieg der Algenblüten fest, sowohl in Bezug auf die Fläche als auch auf die Häufigkeit. So war die betroffene Fläche 2020 um 3,97 Millionen Quadratkilometer größer als 2003 – ein Anstieg um 13,2 Prozent. Die globale mittlere Häufigkeit nahm im Beobachtungszeitraum um 59,2 Prozent zu. Vor allem in höheren Breitengraden verzeichnete das Team einen signifikanten Zuwachs an Algenblüten, während in manchen tropischen und subtropischen Gewässern ein leichter Rückgang zu beobachten war.
Menschliche Einflüsse verstärken Algenblüten
Die weiteren Analysen ergaben Hinweise auf mögliche Mechanismen: „In vielen Gebieten höherer Breitengrade fanden wir einen signifikanten positiven Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der Algenblüten und der vom Satelliten gemessenen Meeresoberflächentemperatur“, berichtet das Forschungsteam. Auf tropische und subtropische Gewässer traf dies allerdings nicht zu. Hier fanden die Forschenden eine Erklärung in Veränderungen der Ozeanzirkulation, die beeinflusst, wie viele Nährstoffe zur Verfügung stehen. Sorgten die Strömungen für zusätzliche Nährstoffe, wie beispielsweise rund um die kanarischen Inseln, kam es zu mehr Algenblüten. Verringerten sie dagegen die zur Verfügung stehenden Nährstoffe, nahmen die Algenblüten ab, so etwa im Bereich des Kalifornienstroms, einer kalten Meeresströmung im nördlichen Pazifik.
„Zusätzlich untersuchten wir Trends beim Einsatz von Düngemitteln und setzten diese in Zusammenhang zur Häufigkeit von Algenblüten“, berichtet das Team. „Dabei fanden wir hohe positive Korrelationen in China, Iran, Vietnam und auf den Philippinen.“ Auch zunehmende Aquakulturen in Finnland, China, Algerien, Guinea, Vietnam, Argentinien, Russland
und Uruguay ließen sich mit dem vermehrten Auftreten von Algenblüten in Verbindung bringen. In anderen Ländern dagegen konnte das Team keine signifikanten Effekte von Düngung und Aquakultur feststellen – womöglich, weil sie von anderen Faktoren wie der Meerestemperatur überdeckt wurden.
Datenbasis für politische Entscheidungen
In welchem Maße die in der Analyse festgestellten Algenblüten tatsächlich ein Problem für die betroffenen Regionen darstellten – ob es sich beispielsweise um toxische Algenblüten handelte – lässt sich anhand der Satellitendaten nicht feststellen. Zudem weisen die Autoren darauf hin, dass sie mit ihrer Erfassungsmethode Häufigkeit und Ausmaß der Algenblüten potenziell noch unterschätzen, da womöglich nicht alle Algenblüten auf den automatisch ausgewerteten Satellitenbildern erkennbar waren.
Dennoch gehen Dai und sein Team davon aus, dass die Ergebnisse einen wertvollen Beitrag leisten können, wenn es beispielsweise darum geht, politische Entscheidungen über die Kontrolle von Nährstoffeinleitungen ins Wasser zu treffen oder Maßnahmen zu ergreifen, um die Auswirkungen schädlicher Algenblüten zu minimieren. Zudem bietet die Studie eine Grundlage, um die Ursachen sowie die Nutzen und Risiken von Algenblüten auf globaler Ebene besser zu verstehen.
Quelle: Yanhui Dai (Southern University of Science and Technology, Shenzhen, China) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-023-05760-y