Beim Klonen entstehen meist Embryonen, die bereits in einem frühen Entwicklungsstadium absterben. Zellen, die solchen defekten Embryonen entnommen werden, haben dennoch die Fähigkeit, sich wie Stammzellen in verschiedene Zelltypen weiterzuentwickeln. Das ergaben Klonexperimente mit Fröschen. Wie die Wissenschaftler des Wellcome Cancer Research Institute in Cambridge im Fachjournal Proceedings of the National Academy of Sciences (Bd. 99, S. 6059) mitteilen, könnten derartige nicht lebensfähige Embryonen auch bei Säugetieren eine neue Quelle für Stammzellen sein.
Überträgt man den Zellkern einer bereits spezialisierten Körperzelle in eine entkernte Eizelle, wie das beim Klonen geschieht, muss das genetische Material vollständig reprogrammiert werden. Nur dann sind die aus Teilungen entstehenden Zellen in der Lage, sich in sämtliche Zelltypen zu entwickeln und einen voll ausgebildeten Organismus hervorzubringen. Die Erfolgsrate des Klonens ist gering. Sie liegt sowohl bei Fröschen als auch bei Säugetieren unter sechs Prozent.
John Gurdon und seine Mitarbeiter übertrugen Kerne aus Darmzellen von Kaulquappen in entkernte Eizellen. Nur in einem Prozent der Fälle entwickelten sich daraus Frösche. Ein Viertel der Klone stellte nach wenigen Zellteilungen ? noch vor Erreichen des so genannten Blastulastadiums ? die Entwicklung ein und starb innerhalb von 24 Stunden ab. Aus solchen defekten Embryonen entnahmen die Forscher Zellen, um deren Entwicklungspotenzial zu untersuchen. Es stellte sich überraschenderweise heraus, dass sie fähig waren, sich in Muskel-, Knochen- und Hautzellen zu entwickeln, wenn sie in normale Embryonen injiziert wurden. Damit besitzen diese Zellen, obwohl sie aus nicht lebensfähigen Embryonen stammen, das Entwicklungspotenzial von Stammzellen.
“Möglicherweise können sich auch Zellen von nicht lebensfähigen geklonten menschlichen Embryonen für Forschung und therapeutische Zwecke als nützlich erweisen”, schreiben die Wissenschaftler. Allerdings sind Versuche zur Gewinnung menschlicher Stammzellen auf diesem Wege in Deutschland nicht erlaubt.
Joachim Czichos