Als die alten Ägypter ihre Monumente errichteten, machten sich auch auf der anderen Seite der Erde Baumeister an die Arbeit – Termiten: Forscher haben herausgefunden, dass einige Termitenhügel im Nordosten Brasiliens rund 4000 Jahre alt sind. Sie bilden dort eine regelrechte Insekten-Monumental-Landschaft: Die spektakulären Termitenhügel erheben sich zu Millionen in auffallend regelmäßigen Abständen auf einer Fläche, die der Größe Großbritanniens entspricht. Zusammen gerechnet ist die Gesamtmasse des von den winzigen Krabblern bewegten Materials gigantisch, sagen die Forscher.
Wo Menschen die Vegetation beseitigt haben, sind die Termitenhügel sogar auf Satellitenaufnahmen von Google Earth zu erkennen, berichten die Wissenschaftler um Stephen Martin von der University of Salford in Manchester. Denn ihre Ausmaße sind beachtlich: Sie sind meist etwa 2,5 Meter hoch und haben einen Durchmesser von neun Metern. Größtenteils sind die bei der lokalen Bevölkerung Murundus genannten Erhebungen allerdings unter der dichten Vegetation der dornigen Buschwälder im Nordosten Brasiliens verborgen. Deshalb war bisher nur wenig über sie bekannt. Die aktuelle Studie liefert nun erstmals Einblicke in die Geheimnisse dieser erstaunlichen Insekten-Bauten.
Keine Nester, sondern Halden
Wie Martin und seine Kollegen berichten, sind die Hügel das Werk der Termitenart Syntermes dirus. We sie erklären, handelt es sich bei den Strukturen allerdings nicht um die Nester dieser staatenbildenden Insekten, denn sie leben im Untergrund. Die Hügel sind stattdessen Halden, die im Laufe der Zeit aus dem Aushub entstanden sind, der beim Bau des unterirdischen Tunnelsystems der Termiten angefallen ist. Dieses weit verzweigte Netzwerk reicht weit ins umliegende Areal. Nachts öffnen die Insekten von den Tunneln aus Zugänge zur Erdoberfläche, wo sie herabgefallenes Laub einsammeln, das ihre Nahrungsgrundlage bildet.
Ein besonders interessanter Aspekt der Hügellandschaft ist ihre Gleichmäßigkeit, berichten die Forscher: Die Bauten haben stets einen Abstand von 20 Metern zu einander. Im Rahmen der Studie haben die Wissenschaftler auch das Verbreitungsgebiet der Termitenstrukturen genau erfasst. Wie sie berichten, nimmt die unter der Vegetation verborgene Hügellandschaft etwa 230,000 Quadratkilometer ein, was mit der Fläche Großbritanniens vergleichbar ist.
Spektakulär und uralt
Durch die gleichmäßige Verteilung konnten die Forscher auch die Gesamtzahl der Termitenhügel bestimmen: Es sind ungefähr 200 Millionen. “Dies ist wohl die weltweit umfangreichste biotechnologische Anstrengung einer einzelnen Insektenart”, sagt Co-Autor Roy Funch von der Universität Estadual de Feira de Santana. Aus der Anzahl der Hügel ließ sich auch der gesamte Materialaufwand berechnen: “Die Menge des ausgegrabenen Bodens beträgt insgesamt über zehn Kubikkilometer. Das entspricht einem Volumen von rund 4000 Cheops-Pyramiden“, verdeutlicht Martin.
Erstaunlicherweise sind die Strukturen teilweise auch ähnlich alt wie die antiken Monumente, konnten die Wissenschaftler dokumentieren: Datierungen von Proben aus den zentralen Bereichen einiger Hügel ergaben, dass ihr Baubeginn rund 4000 Jahre zurückreicht – und noch immer wird an ihnen weitergebaut. “Es ist faszinierend, dass es ein biologisches Wunder dieses Ausmaßes und Alters gibt, bei dem die Bewohner immer noch anwesend sind”, sagt Martin.
Wie er und seine Kollegen betonen, gibt es allerdings noch einige Geheimnisse rund um die Hügel und ihre Erbauer zu lüften. Es ist beispielsweise unklar, wie die Staaten dieser Termitenart organisiert sind und auch, welche Strukturen sie im Untergrund konstruieren. Vor allem nach einem besonders spannenden Element suchen die Wissenschaftler bislang erfolglos: nach der Kammer der Königin.
Quelle: Cell press, Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2018.09.061