Immer mehr Rotoren zapfen in Europa dem Wind Energie ab – doch wie wird sich die Verfügbarkeit dieses natürlichen Energielieferanten im Rahmen des Klimawandels verändern? Antworten auf diese Frage liefern Forscher nun anhand von Prognosen zur Entwicklung der Windströmungen in Europa. Bis zum Ende des Jahrhunderts wird sich demnach die Windstromerzeugung insgesamt zwar nur wenig verändern, das Problem ist aber: Es sind künftig größere jahreszeitliche Schwankungen sowie eine Häufung von Schwachwindphasen zu erwarten. Dadurch wird der Klimawandel die Windkraft in Europa vor beachtliche Herausforderungen stellen, so das Fazit.
Weg von Kohle, Atomkraft und Co – erneuerbare Energiequellen sollen die Menschheit künftig mit Strom versorgen. Windkraft leistet bei der Verfolgung dieses Ziels bereits einen beachtlichen Beitrag – Tendenz steigend. Doch diese Energiequelle hat Nachteile – vor allem: Das Niveau der Stromproduktion ist nicht stabil und verlässlich. Bei Flaute läuft nichts und bei Sturm muss aus Sicherheitsgründen abgeschaltet werden. Die Stromproduktion wird somit stark von der Windstärke und den kurzzeitigen Schwankungen der Wetterbedingungen beeinflusst. In diesem Zusammenhang muss man zudem mit einem Aspekt rechnen, der diese Faktoren zunehmend beeinflussen könnte: mit dem Klimawandel.
Wie und wo wird der Wind wehen?
Wie sich die Windgeschwindigkeiten und damit das Potenzial der Windkraft in Europa bis Ende dieses Jahrhunderts entwickeln werden, haben Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Universität zu Köln nun anhand regionaler Klimaprognosen untersucht. Sie basieren auf räumlich und zeitlichen Modellberechnungen und Simulationen des europäischen Klimamodellierungsprojekts EURO-CORDEX. Diese Daten ermöglichten eine genaue Prognose der Entwicklung der Windstromproduktion von Windkraftanlagen mit einer Nabenhöhe von 100 Metern auf regionaler Skala.
Aus den Ergebnissen geht hervor: In der Gesamtbetrachtung Europas sind bis zum Ende des 21. Jahrhunderts nur geringfügige Änderungen bei der mittleren Windstromerzeugung zu erwarten. Diese Änderungen liegen im Bereich von plus-minus fünf Prozent. Doch die Probleme stecken im Detail, berichten die Forscher: „Für einzelne Länder ist mit deutlich größeren Änderungen im Bereich bis plus-minus 20 Prozent zu rechnen“, betont Joaquim Pinto vom KIT. „Zudem können die Änderungen starken saisonalen Schwankungen unterliegen.“
Den Prognosen zufolge wird sich der Klimawandel in verschiedenen Gebieten Europas unterschiedlich auf die Windkraft auswirken.„Im Baltikum und in der Ägäis könnte die Windstromerzeugung künftig von den Klimaänderungen sogar profitieren“, sagt Co-Autorin Julia Mömken vom KIT. „Für Deutschland, Frankreich und die Iberische Halbinsel sind dagegen eher nachteilige Auswirkungen zu befürchten.“
Problematische Schwankungen
Im Detail zeichnete sich außerdem ein wichtiger Aspekt ab: Für große Teile von Nord-, Mittel- und Osteuropa ist mit erhöhten Schwankungen der Windstromerzeugung zu rechnen – sowohl zwischen einzelnen Tagen als auch einzelnen Jahren. Den Ergebnissen zufolge ist auch zu erwarten, dass in vielen Meeresbereichen Windgeschwindigkeiten, die für die Stromproduktion optimal sind, künftig etwas seltener auftreten werden. Außerdem wird es wohl zu häufigeren Schwachwindphasen mit Windgeschwindigkeiten unter drei Metern pro Sekunde über dem europäischen Kontinent kommen. All diese Entwicklungen sind problematisch, da sie die Stabilität der Versorgung mit Windstrom weiter beeinträchtigen.
Unterm Strich zeichnen sich in den Prognosen große Herausforderungen für die Windenergienutzung in Europa ab, sagen die Forscher. Um das zunehmende Risiko lokaler Flauten bei der Energieerzeugung auszugleichen, muss ihnen zufolge wohl vor allem das europäische Stromverteilnetz deutlich ausgebaut werden. Wenn gemeinsam Gegenmaßnahmen durchgeführt werden, könnte der Einfluss des Klimawandels auf die Windkraft aber deutlich abschwächt werden, so die Wissenschaftler.
Quelle: Karlsruher Institut für Technologie, Journal of Geophysical Research: Atmospheres, DOI: 10.1029/2018JD028473