In vielen südostasiatischen Ländern wie Bangladesch und Vietnam ist das Grundwasser stark mit Arsen belastet. Freigesetzt wird es von Mikroorganismen, die das giftige Element aus Mineralien im Sediment herauslösen. Diese Mikroorganismen haben Forscher nun genauer unter die Lupe genommen. Dabei stellten sie fest, dass die Bakterien und Archaeen nicht nur organische Materialien verstoffwechseln, sondern auch Methangas, das in vielen betroffenen Gewässern in hoher Konzentration vorkommt.
In Kriminalromanen ist Arsen ein beliebtes Mittel für Giftmorde. Viele Menschen sind jedoch Tag für Tag hohen Konzentrationen des gefährlichen Elements ausgesetzt. Die langsame Arsenvergiftung führt bei ihnen zu krankhaften Hautveränderungen bis hin zu Krebserkrankungen. Insbesondere in Südostasien ist das Grundwasser, das die Menschen als Trinkwasser und zur Bewässerung ihrer Felder nutzen, stark mit Arsen belastet. Dadurch ist auch Reis häufig kontaminiert. Freigesetzt wird es aus arsenhaltigen Eisenmineralien, die ursprünglich aus den Bergen des Himalaya stammen. Schon länger war bekannt, dass dabei Mikroorganismen eine wichtige Rolle spielen. Wie genau die beteiligten Stoffwechselprozesse ablaufen, war allerdings unklar.
Sedimentproben aus Vietnam
Ein Team um Martyna Glodowska von der Universität Tübingen hat nun die Ausgangsstoffe und Produkte des Bakterienstoffwechsels genauer untersucht. Bereits zuvor hatte das Team nachgewiesen, dass sich die arsenfreisetzenden Mikroorganismen nicht etwa wie ursprünglich vermutet von organischem Material an der Wasseroberfläche ernähren, sondern dass sie ihre Nahrung tiefer im Sediment finden. „Nach unserer vorherigen Studie gingen wir davon aus, dass sie Stoffwechsel und Wachstum durch organische Ablagerungen an den Sedimenten aufrechterhalten“, sagt Glodowska.
Für die aktuelle Studie nutzten die Forscher Sedimentproben aus einem vietnamesischen Dorf nahe der Stadt Hanoi. „Dort konnten wir eine hohe Konzentration von Methan beobachten, das von Mikroorganismen produziert wird. An manchen Stellen ist die Methankonzentration so hoch, dass das Gas aus dem Wasser an die Oberfläche sprudelt“, berichtet Glodowskas Kollege Andreas Kappler. Methan bildet den Hauptbestandteil von Erdgas und wird in Industrie und Haushalten vielfach zur Energiegewinnung eingesetzt. „Das brachte uns auf die Idee, dass auch die Arsen freisetzenden Mikroorganismen es nutzen könnten“, berichtet Glodowska.
Methan als Nahrungsquelle
Im Labor setzten sie den mikrobenhaltigen Sedimentproben aus Vietnam Methan zu. Nach 125 und 220 Tagen maßen sie die Konzentration von freigesetztem Eisen und Arsen und bestimmten außerdem über genetische Analysen, welche Mikroorganismen zu welchen Anteilen vertreten waren. Tatsächlich zeigte sich im Laufe der Versuchszeit eine immer höhere Konzentration an freigesetztem Eisen und Arsen. Zudem vermehrten sich insbesondere solche Mikroorganismen, die dafür bekannt sind, Methan zu verstoffwechseln.
Nach 125 Tagen dominierten Bakterien der Spezies Methylogaea oryzae und nah verwandter Arten. Bisher ging man davon aus, dass diese Bakterien Sauerstoff benötigen, um das Methan zu oxidieren. Im aktuellen Versuch liefen ihre Stoffwechselprozesse jedoch unter anaeroben Bedingungen ab. Daraus folgern die Forscher, dass die Bakterien die Elektronen aus dem Methan statt auf Sauerstoff auf das Eisen übertragen können und auf diese Weise die Eisen-Arsen-Verbindungen auflösen. Nach 220 Tagen fanden die Forscher außerdem viele Archaeen, die ebenfalls Methan verstoffwechseln und dabei Eisen und Arsen aus dem Sediment lösen.
Relevant für Gewässer weltweit
„Damit haben wir einen Mechanismus entdeckt, über den es zur Arsenanhäufung kommen kann“, sagt Kappler. „Unter der Wasseroberfläche produzieren Mikroorganismen Methan, das anderen Mikroben, sogenannten Methanfressern, die Energie liefert, um die Eisenminerale aufzulösen und dabei Arsen abzuscheiden.“ Weltweit enthalten viele Wassersysteme große Mengen Methan, und auch Mikroorganismen, die Methan erzeugen und verbrauchen, sind weit verbreitet. „Daher könnte die Mobilisierung von Arsen durch Methan fressende Bakterien ein wichtiger Mechanismus für die Arsenverseuchung zahlreicher Gebiete sein“, sagt Kappler. Ein wichtiger Schritt sei getan mit der Identifizierung von Methan als Nahrungsquelle, meint auch Glodowska. Nun müsse erhoben werden, welchen Umfang dieser Weg der Arsenanhäufung unter natürlichen Bedingungen annimmt.
Quelle: Martyna Glodowska (Universität Tübingen) et al., Nature Communications Earth & Environment, doi: 10.1038/s43247-020-00037-y