Vor rund 466 Millionen Jahren veränderte eine Eiszeit die Lebenswelt unseres Planeten. Jetzt könnten Forscher den Auslöser für diese urzeitliche Kälteperiode gefunden haben. Wie sie anhand von Ablagerungen aus dieser Zeit belegen, strömten damals enorme Mengen an Staub und kleinen Meteoriten aus dem Weltall in die Erdatmosphäre. Dieser Staub könnte entscheidend zur Abkühlung des Erdklimas beigetragen haben, wie die Wissenschaftler berichten. Ihre Datierungen und Analysen deuten darauf hin, dass dieser Staub von einem Ereignis stammte, das sich kurz vorher im Asteroidengürtel ereignet hatte: Ein 150 Kilometer großer Asteroid war nach einer Kollision zerfallen und hatte das gesamte innere Sonnensystem mit Staub und Trümmerbrocken überzogen.
In den letzten gut 500 Millionen Jahren hat die Erde drei große Eiszeitperioden erlebt. Die erste dieser drei ereignete sich vor rund 466 Millionen Jahren und löste einen in Fossilien deutlich erkennbaren Wandel der Lebenswelt aus. Dabei wuchs die Artenvielfalt im Urmeer geradezu explosionsartig an. “Im Laufe von rund 30 Millionen Jahren veränderte sich die noch relativ geringe marine Biodiversität des Kambriums und frühen Ordoviziums zu nahezu modernen Maßstäben”, berichten Birger Schmitz von der Universität Lund in Schweden und seine Kollegen. Doch die Ursache für dieses Great Ordovician Biodiversification Event – kurz GOBE – und die damit verknüpfte Eiszeit waren bislang unklar. Zwar ist bekannt, dass kürzere Schwankungen zwischen Kalt- und Warmzeiten durch astronomische Parameter wie Veränderungen der Erdbahn oder Erdachse ausgelöst werden. “Die Ursachen längerer Eiszeitalter von zehn bis 100 Millionen Jahren Dauer werden jedoch meist als irdisch angesehen. Beispiele sind das Öffnen und Schließen von Meeresverbindungen, die Bildung von Gebirgen oder die Veränderung der atmosphärischen CO2-Gehalte”, erklären die Forscher.
Kollision im Asteroidengürtel
Doch wie Schmitz und sein Team nun herausgefunden haben, könnte die große Eiszeit vor 466 Millionen Jahren doch eine astronomische Ursache gehabt haben – jenseits aller Erdbahnparameter oder Milankowitsch-Zyklen. Für ihre Studie hatten die Forscher urzeitliche Gesteinsschichten im südschwedischen Kinnekulle und an einem Flussufer nahe der russischen Stadt Sankt Petersburg untersucht. Schon länger ist bekannt, dass diese Gesteinsformationen einen auffallend hohen Anteil an kleineren, fossilen Meteoriten aus dem mittleren Ordovizium enthalten. Schmitz und seine Kollegen vermuten schon länger, dass diese Meteoritenhäufung auf ein katastrophales Ereignis im urzeitlichen Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter zurückgeht. Demnach zerbrach dort ein rund 150 Kilometer großer Asteroid nach einer Kollision. “Aus diesem Zerfall des L-Chondriten vor rund 466 Millionen Jahren stammen bis heute rund ein Drittel aller auf die Erde fallenden Meteoriten”, erklären die Forscher.
Jetzt haben Schmitz und sein Team erstmals Belege dafür gefunden, dass diese kosmische Katastrophe auch die Eiszeit im mittleren Ordovizium ausgelöst haben könnte. Denn wie ihre Analysen ergaben, schlugen damals nicht nur vermehrt Meteoriten ein – auch die Menge an Staub, der aus dem Weltall in die Erdatmosphäre eindrang, erhöhte sich drastisch. “Man kann dies vergleichen mit dem Effekt, der eintritt, wenn ich mitten in meinem Wohnzimmer einen vollen Staubsaugerbeutel platzen lasse”, sagt Schmitz. Der Staub vom Zerfall des Asteroiden breitete sich relativ schnell im inneren Sonnensystem aus und erreichte dann vor rund 466 Millionen Jahren auch die Erde.
Staubschleier über der Urerde
Indiz für diese urzeitliche Staubschwemme aus dem All ist eine abrupte, starke Steigerung in der Menge extraterrestrischer Chromitpartikel in den Ablagerungen dieser Zeit, wie die Forscher berichten. Ihren Analysen der Helium-Isotope zufolge schnellte der Einstrom dieser Partikel in den zwei Millionen Jahren nach der Asteroidenzerstörung um das Hundert- bis Tausendfache an. Parallel dazu erhöhte sich auch die Menge an kleinen und sehr kleinen Meteoriten in ähnlich hohem Maße, wie ihre Ergebnisse nahelegen. “Normalerweise erhält die Erde rund 40.000 Tonnen extraterrestrischen Materials pro Jahr”, erklärt Co-Autor Philipp Heck vom Field Museum in Chicago. “Stellen Sie sich das nun mit dem Faktor tausend oder sogar zehntausend multipliziert vor.”
Während der Staub aus dem All heute keinen nennenswerten Klimaeffekt entfaltet, galt das für die damaligen Mengen nicht: “Wenn die extraterrestrische Staubmenge in der Atmosphäre über mehrere hunderttausend Jahre um mehr als drei Größenordnungen ansteigt, dann ist eine Abkühlung zu erwarten”, sagen die Forscher. Denn der Staubschleier in der Atmosphäre absorbiert einen Teil des einfallenden Sonnenlichts und führt so zu einer Klimaabkühlung. “Zudem wurde nach dem Zerbrechen des Asteroiden nicht nur die Erdatmosphäre staubiger, sondern auch ein Großteil des interplanetaren Raums im inneren Sonnensystem – das schirmte die Erde noch stärker vom Sonnenlicht ab”, erklären Schmitz und seine Kollegen. Ihren Angaben zufolge könnte der damals in die Ozeane rieselnde Staub gleichzeitig als Dünger gewirkt haben, wodurch Algen verstärkt Kohlendioxid aus der Atmosphäre banden – das hätte die Abkühlung noch verstärkt.
“Unsere Ergebnisse zeigen zum ersten Mal, dass solcher Staub in der Vergangenheit die Erde dramatisch abgekühlt haben kann”, sagt Heck. Nach Ansicht der Forscher liegt es daher sehr nahe, dass die urzeitliche Katastrophe im Asteroidengürtel auch der Auslöser für die irdische Eiszeit im Ordovizium war.
Quelle: Birger Schmitz (Universität Lund) et al., Science Advances, doi: 10.1126/sciadv.aax4184