Paläontologen haben in Wisconsin die Fossilien einer bisher unbekannten Skorpionart entdeckt. Das Besondere: Mit einem Alter von 437 Millionen Jahren handelt es sich um den ältesten weltweit bekannten Skorpion überhaupt. Dieses Urzeit-Spinnentier könnte bereits giftig gewesen sein und von Zeit zu Zeit Ausflüge ans Land gemacht haben, wie die Forscher berichten. Damit liefert es spannende neue Einblicke in die Evolutionsgeschichte dieser Tiere.
Skorpione sollen zu den ersten Lebewesen gehören, die einst den endgültigen Sprung vom Wasser ans Land schafften. Heute sind die gepanzerten Jäger mit dem berüchtigten Giftstachel weit verbreitet und besiedeln mit Vorliebe Steppen- und Wüstenregionen. Wann und wie sich diese Spinnentiere jedoch an das Leben auf dem Land anpassten, ist bisher weitgehend unklar. Denn Fossilien früher Skorpione gibt es nur wenige. Umso bedeutender ist der Fund, von dem nun Andrew Wendruff von der Otterbein University in Westerville und seine Kollegen berichten: Die Forscher haben gleich zwei Fossilien aus der sogenannten Waukesha Lagerstätte in Wisconsin als bisher unbekannte Skorpionart identifiziert.
Rekordaltes Spinnentier
Parioscorpio venator, wie sie die neue Spezies tauften, stammt aus dem Silur-Zeitalter und ist rund 437 Millionen Jahre alt. “Er taucht damit in Erdschichten auf, die älter sind als die, in denen Dolichophonus loudonensis aus Schottland konserviert wurde – bislang galt dieses Fossil als der älteste bekannte Skorpion”, erklärt Wendruffs Team. Kurzum: Der neue Urzeit-Skorpion ist jetzt der älteste Skorpion der Welt. Doch wie sah dieses rekordalte Spinnentier aus und wie lebte es?
Die Analysen der fossilen Exemplare enthüllten: Parioscorpio venator war rund 2,5 Zentimeter lang. Er besaß zwar einige primitive Merkmale, die auch von anderen urzeitlichen Meeresbewohnern und frühen Spinnentieren bekannt sind. Dazu gehören zum Beispiel seine Komplexaugen. Gleichzeitig weisen die Fossilien jedoch bereits fortschrittliche, als moderner geltende Eigenschaften auf, die sich auch bei heute lebenden Skorpionen finden lassen. Eines dieser Merkmale ist der Aufbau des Telsons – so wird bei Gliederfüßern der letzte Körperabschnitt genannt. Bei modernen Skorpionen befinden sich an diesem Körperteil eine Giftblase und ein Giftstachel. Bei dem neuen Urzeit-Skorpion ist der Stachel selbst zwar nicht sichtbar. Die Forscher meinen aber, zumindest eine Giftblase ausmachen zu können.
Schon ein Landgänger?
Spannend ist, dass beide Fossilien trotz ihres hohen Alters noch innere anatomische Strukturen erkennen lassen: “Es sind Teile des Kreislauf-, Atmungs- und Verdauungssystems erhalten”, berichten Wendruff und seine Kollegen. Das Interessante daran ist deren Ähnlichkeit zu modernen Skorpionen. “Vor allem der Aufbau des Kreislauf- und Atmungssystems heute lebender Skorpione weist von der Form her eine frappierende Übereinstimmung mit den bei P. venator erhaltenen Strukturen auf”, konstatieren die Wissenschaftler. Aber die Strukturen haben ihnen zufolge auch Gemeinsamkeiten mit den urtümlichen und eng mit Spinnen und Skorpionen verwandten Pfeilschwanzkrebsen.
Zwar lassen sich bei den Fossilien weder eindeutige Kiemen noch Lungen ausmachen. Die beobachteten Gemeinsamkeiten liefern nach Ansicht der Forscher dennoch Hinweise auf die Lebensweise der Urzeit-Skorpione: Wie die eigentlich am Meeresboden lebenden Pfeilschwanzkrebse könnten sie in der Lage gewesen sein, an Land zu atmen – und sich somit längere Zeit außerhalb des Wassers aufzuhalten. “Ob P. venator bereits ein vollständig terrestrischer Arthropode war, ist unsicher. Die starke Ähnlichkeit seiner pulmonalen und kardiovaskulären Strukturen mit denen heutiger Skorpione und Pfeilschwanzkrebse deutet aber auf die Möglichkeit ausgedehnter Aufenthalte auf dem Land hin”, erklärt Wendruffs Team. Damit bestätigt sich ihnen zufolge: Die physiologischen Anpassungen, die für den Übergang von einer wasser- zu einer landbasierten Lebensweise nötig waren, entwickelten sich schon zu einem frühen Zeitpunkt in der Evolution der Spinnentiere.
Quelle: Andrew Wendruff (Otterbein University, Westerville) et al., Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-019-56010-z