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Urahn von Spinnen und Skorpionen entdeckt

Erde|Umwelt

Urahn von Spinnen und Skorpionen entdeckt
Mollisonia plenovenatrix
So könnte der Urarthropode Mollisonia plenovenatrix ausgesehen haben. (Bild: Joanna Liang/ Royal Ontario Museum)

Die Vorfahren von Spinnen und Skorpionen gehörten zu den ersten Tieren, die das Land eroberten. Doch wann genau sich diese Gruppe der sogenannten Kieferklauenträger entwickelte, ist strittig. Forscher haben in Kanada nun die 500 Millionen Jahre alten Fossilien eines Urzeit-Gliederfüßers entdeckt, die diese Frage klären helfen: Die neu beschriebene Art besaß bereits die für Spinnen und Co typischen klauenbewehrten Mundwerkzeuge. Außerdem verfügte sie über Strukturen, die den als Buchlunge bekannten Atmungsorganen dieser Tiere ähnelten. Damit ist dieser Urarthropode der bisher älteste bekannte Vertreter der Kieferklauenträger, wie das Team berichtet.

Ob Spinne, Skorpion, Milbe oder Pfeilschwanzkrebs – all diese Tiere gehören zu den sogenannten Kieferklauenträgern, den Cheliceraten. Sie bilden nach den Insekten die zweitgrößte Gruppe der Arthropoden und haben im Laufe der Evolution eine enorme Vielfalt an Formen und Lebensweisen entwickelt. Die Ursprünge dieser Krabbeltiere reichen dabei weit in die Vergangenheit zurück. Schon im Zeitalter des Kambrium könnten sich die ersten Vertreter der Cheliceraten im Urzeitmeer getummelt haben, wie Fossilfunde nahelegen. Doch handelte es sich bei diesen Wesen wirklich schon um Kieferklauenträger im engeren Sinne? Genau dies war bei einigen der ältesten mutmaßlichen Cheliceraten-Funde strittig. Denn es fehlte das entscheidende namensgebende Merkmal: die Kieferklaue, eine zum Mundwerkzeug umfunktionierte Extremität im Kopfbereich.

Urtier mit Kieferklauen

“Obwohl einige kambrische Fossilien den Cheliceraten ähnliche Eigenschaften aufweisen, konnten wir bei ihnen bisher keine Kieferklaue identifizieren. Dieses Schlüsselmerkmal fehlte”, erklärt Cédric Aria von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Nanjing. Das aber hat sich nun geändert: Der Forscher und sein Kollege Jean-Bernard Caron vom Royal Ontario Museum in Toronto haben im Burgess-Schiefer in den kanadischen Rocky Mountains die versteinerten Überreste eines Tieres entdeckt, das über dieses charakteristische Werkzeug verfügt. Bei den über 500 Millionen Jahren alten Fossilien handelt es sich um eine bisher unbekannte Spezies aus der Gattung Mollisonia, von der bislang nur einzelne Exoskelette bekannt waren.

Mollisonia plenovenatrix ist dagegen vollständiger erhalten, wie die Wissenschaftler berichten. Dieses mit 2,5 Zentimetern etwa daumengroße Tier besaß zwischen seinen Komplexaugen ein Paar kräftige, aber sehr kurze Kieferklauen, die es zum Greifen oder Zerkleinern von Beute genutzt haben könnte. Seine Sehorgane waren im Vergleich zur Körpergröße ziemlich groß und Teil eines offenbar schon erstaunlich fortschrittlichen visuellen Systems. Ebenfalls am Kopfbereich von Mollisonia plenovenatrix saßen drei Paar Laufbeine sowie drei weitere Extremitätenpaare, die unterschiedliche Funktionen erfüllten. Mit diesem Werkzeugarsenal am Kopf war der Urzeit-Gliederfüßer perfekt ausgestattet um zu fühlen, zu greifen und zu kauen. Wahrscheinlich tat er dies bevorzugt auf dem Meeresboden, wie die Forscher aufgrund seiner ausgeprägten Laufbeine vermuten.

Ursprung tief im Kambrium

Neben der Kieferklaue besaß Mollisonia plenovenatrix ein zweites Merkmal, das die Art eindeutig als zu den Cheliceraten zugehörig enttarnt: Sie verfügte schon über eine rudimentäre Form der Buchlungen. Diese auch Fächertracheen genannten Atmungsorgane sind unter anderem typisch für Webspinnen und Skorpione. “Sie bestehen aus vielen dünnen Strukturen, die aussehen wie die Seiten eines Buchs”, erklärt Aria. “Dies vergrößert die Oberfläche und ermöglicht auf diese Weise einen effizienten Gasaustausch.” Bei Mollisonia machten er und sein Kollege zwar nur eine Art Buchlunge mit drei solcher Seiten aus. Zudem fehlten einige für diese Atmungsorgane charakteristischen Bestandteile. Dennoch deuten sie diese Strukturen als weiteren Hinweis darauf, dass dieses Tier modernen Kieferklauenträgern bereits erstaunlich ähnlich war.

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Angesichts dieser Beweislage ist für die Wissenschaftler damit klar: Mollisonia plenovenatrix ist der älteste sicher identifizierte Kieferklauenträger. Das vergleichsweise moderne Aussehen dieses Urarthropoden legt ihrer Ansicht nach außerdem nahe, dass die Wurzeln der Cheliceraten noch weiter in die Vergangenheit zurückreichen. Der Ursprung dieser erfolgreichen Gruppe von Gliederfüßern, die heute aus über 115.000 Arten besteht, muss demnach am Anfang des Kambriums liegen – und damit zu einer Zeit, als die kambrische Artenexplosion stattfand.

Quelle: Cédric Aria (Chinesischen Akademie der Wissenschaften, Nanjing) und Jean-Bernard Caron (Royal Ontario Museum, Toronto), Nature, doi: 10.1038/s41586-019-1525-4

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