Erdrutsche und Schlammlawinen gehören zu den häufigsten und folgenschwersten Naturkatastrophen unseres Planeten. Wie eine Studie nun aufzeigt, starben allein in der Zeit von 2004 bis 2016 dadurch mehr als 55.000 Menschen weltweit – Rutschungen infolge von Erdbeben nicht mit eingerechnet. Doch auch wenn die meisten dieser Katastrophen durch Starkregen und andere Wettereinflüsse ausgelöst wurden: Menschliche Aktivitäten tragen mehr und mehr zu Erdrutschen bei, wie die Forscher berichten.
Ob Felssturze, Schlammlawinen oder Erdrutsche: Das Phänomen, dass Berghänge nachgeben und Tonnen an Material zu Tal stürzen, ist nicht neu. Vermutlich ereigneten sich solche Rutschungen schon lange bevor die ersten Lebewesen die Erde bevölkerten. Vor allem Erdbeben, Vulkanausbrüche und Regenfälle ziehen oft Rutschungen nach sich. Zur Naturkatastrophe werden diese Ereignisse aber meist erst dann, wenn Mensch und Tier davon betroffen sind – und das kommt immer häufiger vor. Denn mit der zunehmenden Bevölkerungsdichte und den sich immer weiter in die Bergregionen ausbreitenden Ortschaften oder Straßen wächst auch das Risiko, dass Siedlungen und Menschen von solchen Rutschungen betroffen sind. Doch es kommt noch ein weiterer Faktor hinzu: Der Mensch greift auch aktiv in die Umwelt ein und verstärkt so das Risiko für Erdrutsche, beispielsweise indem er beim Straßenbau Hänge anschneidet, Hangwälder rodet oder durch den Bergbau Bergflanken destabilisiert.
Dreiviertel in Asien
Wie viele Erdrutsche weltweit auftreten und wie viele davon direkt auf das Konto menschlicher Aktivitäten gehen, haben nun Melanie Froude und David Petley von der University of Sheffield in England ermittelt. Für ihre Studie sammelten sie Daten zu allen nicht-seismischen Rutschungen, die zwischen 2004 und 2016 weltweit aufgetreten sind. “Die Berichte zu sammeln und sie in eine Datenbank einzuordnen klärt, wo Erdrutsche besonders häufig auftreten und Menschen schaden, aber auch, was diese Rutschungen auslöst und ob es zeitliche Muster gibt”, erklärt Petley. Damit liefert uns diese Datenbank auch einen Überblick darüber, wie Erdrutsche die menschliche Gesellschaft beeinflussen.”
Die Auswertungen ergaben, dass es in den zwölf Jahren der Studie mehr als 4800 Erdrutsche mit fatalen Folgen gab. Insgesamt starben in der Folge dieser Katastrophen 56.000 Menschen, wie die Forscher berichten. Der schwerwiegendste Erdrutsch ereignete sich dabei im Jahr 2013 beim Ort Kedarnath in Indien. Damals verursachten Starkregenfälle Sturzfluten und massive Schlammlawinen, die tausende von Pilgern in dieser Bergregion überraschten. Mehr als 5000 Menschen starben. Dabei ist diese Rutschung fast schon exemplarisch für die meisten Katastrophen dieser Art, wie Froude und Petley berichten. Denn insgesamt ereigneten sich 75 Prozent aller Erdrutsche in Asien und 79 Prozent der Rutschungen wurden von anhaltenden oder schweren Regenfällen ausgelöst. Die meisten treten deshalb während des Sommers der Nordhalbkugel auf – der Zeit, in der Wirbelstürme besonders häufig sind und in Asien der Sommermonsun Regen bringt.
Menschengemachte Katastrophen
Doch nicht immer ist allein die Natur schuld: Immerhin 700 Erdrutsche in der Zeit von 2004 bis 2016 waren nach Angaben der Forscher direkt oder indirekt vom Menschen verursacht. Und im Laufe der Zeit nahm die Anzahl solcher Ereignisse zu. Meist traten diese Rutschungen auf, weil Bauarbeiten, legaler und illegaler Bergbau oder der Anschnitt von Hängen die Berghänge destabilisierte. “Wir waren uns bereits darüber im Klaren, dass der Mensch zunehmend Druck auf seine lokale Umwelt ausübt”, sagt Froude. “Aber es war doch überraschend, dass sich ein so klar zunehmenden Trend in der Datenbank abzeichnet.” Die meisten durch menschliche Aktivitäten ausgelösten Erdrutsche gab es in Asien, wie die Forscher berichten. Indien allein habe einen Anteil von 20 Prozent und sei damit die Nummer 1. Gleichzeitig sei dies auch das Land mit der höchsten Steigerungsrate. Ebenfalls stark betroffen sind Pakistan, Myanmar und die Philippinen.
Insgesamt ergaben die Auswertungen – wenig überraschend – dass ärmere Länder und ärmere Menschen überproportional häufig Opfer von Erdrutschen werden. Denn ihnen fehlt es meist an Mitteln um Hänge sachgerecht abzusichern oder Straßen um Hänge herumzuführen. Auch behördliche Vorgaben fehlen meist. Hinzu kommt, dass arme Menschen oft gezwungen sind, dort zu siedeln, wo sonst keiner hinmöchte – und das sind oft potenziell rutschungsgefährdete Hanglagen. “Unsere Studie unterstreicht damit auch, dass wir unsere globalen Anstrengungen verstärkt darauf richten müssen, solche vermeidbaren Rutschungen zu verhindern”, sagt Froude.
Quelle: Melanie Froude und David Petley (University of Sheffield), Natural Hazards and Earth System Sciences, doi: 10.5194/nhess-18-1-2018