Die Erosion von Böden ist heute ein nahezu weltweites Problem, denn vor allem Entwaldung und Übernutzung fördern die Degradation. Doch wie sich nun zeigt, ist dies kein Phänomen der Neuzeit: Schon vor 4000 Jahren hat der Mensch damit begonnen, die Landschaft so zu verändern, dass die Bodenerosion messbar zunahm. Das enthüllt nun eine vergleichende Analyse von Sedimentbohrkernen aus mehr als 600 Seen weltweit.
Fruchtbare Böden sind eine wichtige Ressource unseres Planeten. Denn ein intakter Boden ist Lebensraum für unzählige Arten, ein wichtiger Teil der Stoffkreisläufe und gleichzeitig auch Nährboden für die Pflanzenwelt. Doch inzwischen steht es um viele Böden schlecht: Aktuellen Schätzungen zufolge könnten inzwischen die Böden auf fast drei Viertel der irdischen Landoberfläche degradiert sein. Triebkräfte dafür sind neben natürlichen Faktoren vor allem die Rodung von Wäldern, die intensive Nutzung von Landflächen als Weiden, Äcker und andere Anbauflächen, aber auch die anthropogenen Klimaveränderungen.
Seesedimente als Zeitzeugen
Doch wann hat der Mensch begonnen, durch seine Eingriffe in die irdischen Landschaften auch die Erosion zu beeinflussen? “Es ist noch immer unklar, in welchem Ausmaß Klima und menschliche Faktoren bei der langfristigen, mehr als hundert Jahre zurückliegenden Bodenerosion interagiert haben und wann ein signifikanter Teil der Erdoberfläche zu anthropogen-beeinflussten Erosionsraten wechselte”, erklären Jean-Philippe Jenny vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena und seine Kollegen. Um dies zu klären, haben sie nun Sedimentbohrkerne aus 632 Seen weltweit näher untersucht.
“Sedimente von Seen gelten als natürliche Archive von Erosionsprozessen”, sagt Jenny. “Sie resultieren aus allen Vorgängen aus den Einzugsgebieten der Seen, welche Boden, Gestein und gelöste Stoffe abtragen, und bleiben in chronologischen Schichten erhalten.” Mithilfe von Radiokarbonmessungen ermittelten die Wissenschaftler das Alter der verschiedenen Sedimentschichten, den Sedimenteintrag und auch die Menge der jeweils zu verschiedenen Zeiten in den See geschwemmten Pollen. Dies ermöglichte es ihnen, die Landnutzung und Erosion der letzten 12.000 Jahre zu rekonstruieren.
Weniger Pollen, mehr Schlamm
Die Auswertungen ergaben: Wie erwartet nahmen die Pollenmengen nach Ende der letzten Eiszeit zunächst deutlich zu, der Sedimenteintrag dagegen ab. Dies spiegelt wider, wie die Landflächen nach Rückzug der Gletscher allmählich von einer Pflanzendecke und später von Wäldern bedeckt wurden. Doch vor rund 4000 Jahren änderte sich dieser Trend – und lehrte sich sogar um: “Überraschenderweise zeigten 35 Prozent der analysierten Seen vor rund 4000 Jahren eine zunehmende Sedimentanreicherung”, berichtet Jennys Kollege Nuno Carvalhais. Gleichzeitig nahm ab dieser Zeit auch der Polleneintrag in vielen Seen wieder deutlich ab.
Nach Ansicht der Wissenschaftler deutet dies daraufhin, dass der Mensch schon vor 4000 Jahren so deutlich in die Landschaften eingriff, dass sich auch die Bodenerosion verstärkte: “Der Rückgang der Baumpollen ist auf Entwaldung zurückzuführen, die insbesondere durch Rodungen für die Landwirtschaft und für neue Siedlungen durchgeführt wurde”, erklärt Jenny. “Der Kahlschlag der Bäume begünstigte wiederum die Degradation und Erosion der Böden.” Gestützt wird diese Annahme auch durch auffallende regionale Unterschiede in den Daten. So treten die Indikatoren für Entwaldung als erstes in Europa auf und erst deutlich später in Nordamerika. Dies lässt sich dadurch erklären, dass massive Waldrodungen und eine intensivere Landwirtschaft erst nach der Kolonialisierung Nordamerikas durch die Europäer begannen. In China zeigt sich dagegen vor rund 3000 Jahren eine Abnahme des Sedimenteintrags – verursacht wahrscheinlich durch den Bau von Dämmen und Kanälen im chinesischen Großreich.
Quelle: Max-Planck-Institut für Biogeochemie; Fachartikel: Proceedings of the National Academy of Sciences, doi: 10.1073/pnas.1908179116