Die über 15 Meter langen Monster-Haie, die einst durch die Meere der Welt streiften, kamen offenbar schon als große Fische zur Welt, geht aus einer Studie hervor: Megalodons gebaren etwa zwei Meter große Jungtiere, geht aus Analyseergebnissen von Wachstumslinien eines fossilen Wirbels hervor. Die Merkmale legen auch nahe, dass die Meeresräuber wohl ein Alter von bis zu 100 Jahren erreichen konnten. Wie die Forscher erklären, war die beachtliche Größe bei der Geburt wohl durch eine kannibalistische Ernährungsweise der Jungtiere im Mutterleib möglich, die auch bei manchen heutigen lebendgebärenden Haiarten vorkommt.
Funde von handgroßen Zähnen und einigen Wirbeln zeugen von einem gigantischen Hai, der noch bis vor etwa drei Millionen Jahren durch die Meere der Erde schwamm. Die Ausmaße der scharfen Beißer lassen vermuten, dass Megalodon (Otodus megalodon) mehr als doppelt so groß war wie der bis zu sieben Meter lange Weiße Hai (Carcharodon carcharias). Wem der Monster-Hai einst nachstellte, geht aus Bissspuren an fossilen Walknochen hervor: Große Meeressäuger standen offenbar auf seinem Speiseplan.
Warum der vermutlich größte Hai aller Zeiten ausstarb, bleibt bisher weitgehend unklar. Möglicherweise hat ihn der zwar kleinere, aber dafür anpassungsfähigere Weiße Hai verdrängt. Aufgrund von Vergleichen der Zahnstrukturen geht man davon aus, dass Megalodon wohl kein direkter Vorfahre des Weißen Hais gewesen ist. Wie er gehörte er aber ebenfalls zur Familie der Makrelenhaie (Lamnidae). Ein Merkmal dieser Hai-Familie ist dabei, dass alle heutigen Vertreter keine Eier legen, sondern vergleichsweise weit entwickelte Jungtiere gebären.
Megalodon-Wirbel mit Wachstumslinien
Obwohl seine Existenz durch die zahlreichen Zahnfunde gut belegt ist, bleibt Megalodon ein mysteriöser Räuber der Vergangenheit. Denn es haben sich kaum weitere fossile Körperteile dieser Knorpelfische erhalten, die genauere Hinweise auf ihre Anatomie und Biologie geben. Dabei gibt es nur eine Ausnahme: Es wurden einige wenige fossile Wirbel gefunden, die dem Mega-Hai zugeordnet werden. Die Forscher um Kenshu Shimada von der DePaul University in Chicago haben nun drei Megalodon-Wirbeln aus der Sammlung des Königlich-Belgischen Institut für Naturwissenschaften in Brüssel eine Untersuchung gewidmet. Die Forscher konnten mittels CT-Scan-Technik die Linien in den Wirbeln aufdecken, die sich ähnlich wie Baumringe im Verlauf des Wachstums jährlich bei dem Tier gebildet haben.
Es zeigte sich, dass die Wirbel 46 Wachstumslinien aufweisen. Das bedeutet somit: Das Tier war im Alter von 46 Jahren gestorben. Aus dem Durchmesser der Wirbel von bis zu 15 Zentimeter geht durch Vergleiche mit Pendants von Weißen Haien hervor, dass dieser Megalodon eine Länge von etwa neun Meter besessen hat. Die Merkmale der Wachstumslinien deuten dabei darauf hin, dass das Tier diese Länge mit einer durchschnittlichen Rate von etwa 16 Zentimeter pro Jahr erreicht hatte. Im Rahmen ihrer Studie entwickelten die Forscher auch ein Wachstumskurvenmodell, das eine Einschätzung der Lebenserwartung von Megalodon ermöglicht. Mit Bezug auf die Maximalgröße von etwa 15 Metern erreichten die Tiere ein Alter von 88 bis 100 Jahren, ergaben die Kalkulationen der Forscher.
Kannibalismus im Mutterleib
Wie sie weiter berichten, ließen ihre Analyseergebnisse auch Rückschlüsse darauf zu, wie groß der Hai bei seiner Geburt gewesen war: Sie kamen auf eine Länge von etwa zwei Metern. Damit brachten die Rekord-Giganten offenbar auch die größten Haibabys aller Zeiten zur Welt, sagen die Wissenschaftler. “Es ist bemerkenswert, dass Megalodon-Babys schon größer waren als erwachsene Tiere vieler heutiger Haiarten“, sagt Co-Autor Matthew Bonnan Stockton University in Galloway.
Dabei ist davon auszugehen, dass sich die Nachkommen offenbar ähnlich wie die heutigen Vertreter der Makrelenhaie im Mutterleib entwickelten: Sie wurden durch eine kannibalistische Ernährungsweise versorgt, die als Oophagie oder intrauteriner Kannibalismus bezeichnet wird. Dabei beginnen früh geschlüpfte Embryonen benachbarte Eier zu fressen. Zumindest beim heutigen Sandtigerhai verspeisen sie sogar andere geschlüpfte Geschwister. Das Ergebnis dieser Strategie ist, dass nur wenige Embryonen überleben und sich entwickeln, aber bei der Geburt erreichen sie dadurch bereits eine beträchtliche Größe.
Offenbar war also auch schon bei der Fortpflanzung des Megalodon Klasse wichtiger als Masse: „Bei dieser Strategie überleben unterm Strich mehr Jungtiere, wenn sie bereits als weit entwickelte Fische zur Welt kommen, da sie dadurch seltener von anderen Raubtieren gefressen werden und konkurrenzfähiger sind“, erklärt Shimada. Co-Autor Michael Griffiths von der William Paterson University of New Jersey in Wayne, sagt abschließend zu den Studienergebnissen: “Insgesamt haben die in dieser Arbeit präsentierten Informationen das Verständnis der Biologie des Megalodon nun stark erweitert”, betont der Wissenschaftler.
Quelle: Taylor & Francis, Fachartikel: Historical Biology, doi: 10.1080/08912963.2020.1861608