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Kondensiertes Wissen zum „tiefen Süden“

Antarktis und Südpolarmeer im Wandel

Kondensiertes Wissen zum „tiefen Süden“
Die Lebenswelt auf und um den antarktischen Kontinent wandelt sich. (Bild: FrankRamspott/iStock)

Eisige Landschaften, umgeben von einem kalten Meer: Was wissen wir über die Lebenswelt der südlichen Polarregion, wie wird sie sich weiterentwickeln und welche Rolle wird sie im Klimageschehen spielen? Einblicke in diese Fragen liefert nun ein internationales Forscherteam, das die vielen Studien zur Antarktis sowie über das Südpolarmeer aus dem letzten Jahrzehnt ausgewertet hat. Die wichtigsten Kernbotschaften zu Aspekten wie der regionalen Klimaentwicklung, der Artenvielfalt und den Folgen der Ozeanversauerung präsentieren sie nun in einem Übersichtsartikel.

Antarktika und das diesen Kontinent umgebende Meer gehören nach wie vor zu den geheimnisvollsten Bereichen der Erde. Doch die letzten zehn Jahre haben so viele neue
Erkenntnisse über diese Region geliefert wie nie zuvor. „Betrachtet man den Zeitraum von 1970 bis heute, dann sind allein in den Jahren 2010 bis 2020 rund 80 Prozent aller wissenschaftlichen Publikationen zur Biologie und Biochemie in der Antarktis erschienen“, sagt Projektkoordinator Julian Gutt vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „Für uns war das der Grund, dieses enorme Wissen in einem Fachartikel zu kondensieren“. Das AnT-ERA-Team aus 25 Fachleuten hat dazu hunderte von Fachartikeln über die Antarktis aus dem letzten Jahrzehnt ausgewertet und Kernbotschaften zum aktuellen und künftigen Zustand des antarktischen Kontinents und des Südlichen Ozeans herausgearbeitet.

Veränderungen im Reich von Pinguin und Co

Wie sie berichten, zeichnet sich ab, dass sich auch die Antarktis und ihre Gewässer im Zuge des Klimawandels wohl deutlich erwärmen werden. Dabei werden auch die Veränderungen der künftigen Eisbedeckung eine wichtige Rolle spielen. Während sich seit längerem vor allem die antarktische Halbinsel erwärmt hat, die in den Südatlantik hineinragt, haben die Erwärmung und damit der Verlust von Meereis in den vergangenen drei Jahren auch auf die Ostantarktis übergegriffen. Ob das ein langfristiger Trend ist oder nur eine kurzfristige Veränderung, lässt sich bisher nicht klar sagen. In jedem Fall aber ist diese Veränderung der Umweltbedingungen beunruhigend, weil sie einen erheblichen Einfluss auf die künftige Entwicklung der Region haben kann.

Was die antarktische Landmasse betrifft, bedeutet der Erwärmungstrend, dass mit einer Einwanderung von Pflanzen- und Tierarten aus wärmeren Regionen in die Antarktis zu rechnen ist. In den kommenden Jahrzehnten werden die eisfreien Küstengebiete im Südsommer wohl auch immer mehr ergrünen, weil sich dort Moose oder Flechten verstärkt ausbreiten. Alles in allem dürfte die Artenvielfalt im Küstenbereich dadurch zunächst zunehmen. Bei einer andauernden Erwärmung könnten die an extrem tiefe Temperaturen angepassten Arten allerdings das Nachsehen haben: „Wir rechnen damit, dass sich solche Arten in die letzten verbliebenen sehr kalten Bereiche der Antarktis zurückziehen werden“, sagt Gutt. „Das heißt auch, dass man diese Regionen wird unter Schutz stellen müssen, um diese Arten zu erhalten.“

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Zunehmend sauer

Was den Südlichen Ozean betrifft, dem eine große Bedeutung im Rahmen des Weltklimas und der Stoffkreisläufe der Erde beigemessen wird, zeichnen sich ebenfalls erhebliche Veränderungen ab. Das kühle Meer ist nicht etwa kaum belebt – im Gegenteil: Wissenschaftler haben in den vergangenen Jahren den Reichtum dieser teilweise von Eis bedeckten Unterwasserwelt verdeutlicht. Beispielsweise gibt es dort auch umfangreiche Korallenbestände. Zur zukünftigen Entwicklung der komplexen Lebenswelt heben die Wissenschaftler besonders die Bedeutung der zunehmenden Versauerung des Meerwassers hervor, die sich im Zuge der erhöhten Kohlendioxidkonzentrationen in der Atmosphäre entwickelt. „Es steht außer Frage, dass dadurch vor allem jene Lebewesen Probleme bekommen, die Kalkschalen bilden“, sagt Gutt. Denn die Säure beeinträchtigt die Stabilität und Bildung dieser Strukturen. „Ob Arten ganz verschwinden oder ob einige ihren Stoffwechsel an die veränderten Bedingungen anpassen, lässt sich allerdings bisher nicht sagen“, so der Wissenschaftler.

Eine überraschende Erkenntnis der letzten zehn Jahre Forschung war auch, dass die Organismen am Meeresboden wie etwa einige Schwämme oder Seescheiden sehr schnell auf günstiger werdende Lebensbedingungen reagieren und sich stark vermehren. Doch auch das Gegenteil kann der Fall sein: Auf bestimmte Beeinträchtigungen ihrer Lebensbedingungen reagieren diese Organismen besonders empfindlich. Mit den starken Veränderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, könnten diese Arten deshalb ebenfalls Probleme bekommen, so die Wissenschaftler.

Wie viel CO2 kann das Südpolarmeer aufnehmen?

Wie sie ebenfalls betonen, bieten die bisherigen Studien auch noch keine schlüssigen Informationen dazu, inwieweit ein Verlust von Meereis dazu beiträgt, dass die Gewässer um die Antarktis durch verstärktes Algenwachstum künftig mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnehmen werden. Für die Bilanzrechnungen der künftigen Entwicklung der Treibhausgaskonzentrationen ist dies wichtig. Grundsätzlich nimmt man bisher an, dass die Algen in den Gewässern um die Antarktis rund 25 Prozent mehr CO2 schlucken könnten, wenn das Gebiet künftig im Südsommer gänzlich frei von Meereis wäre.

Doch wie die Forscher betonen, geht aus ihrem Überblick hervor, dass solche pauschalen Aussagen zu den Entwicklungen im tiefen Süden der Erde schwierig sind. „Die von uns analysierten Publikationen machen klar, dass die Situation geografisch sehr unterschiedlich ist“, sagt Julian Gutt. „Aber immerhin wissen wir jetzt, welche Meeresgebiete und Messgrößen wir uns künftig genauer anschauen müssen, um genauere Antworten zu finden“, sagt der Wissenschaftler abschließend.

Quelle: Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Fachartikel: Biological Reviews doi: 10.1111/brv.12679

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