Bisher ist der Flugverkehr für rund drei Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Ob und wie sich dies durch alternative Kraftstoffe ändern ließe und was das kosten würde, hat nun ein Forscherteam untersucht. Demnach könnte die Passagier-Luftfahrt bis 2050 weitgehend CO2-neutral werden, allerdings nur mit deutlich steigender CO2-Bespreisung, festen Einspeisequoten für die mittels Solarenergie produzierten Treibstoffe und enormen Investitionen in den Bau von Solaranlagen.
Der Flugverkehr ist ein zunehmendes Problem für das Klima. Mit 680 Prozent Wachstum von 1960 bis 2018 verursacht er heute drei Prozent der globalen Kohlendioxid-Emissionen. Verstärkt wird der Klimaeffekt zusätzlich durch die Kondensstreifen, bei denen sich Eiskristalle um die ausgestoßenen Abgase der Flugzeuge bilden und sie so stundenlang in der Luft halten. Auch wenn die Corona-Pandemie den weltweiten Flugverkehr zeitweise fast zum Erliegen brachte, rechnen Experten damit, dass sich die Luftfahrt relativ schnell wieder erholen wird. Dann könnte der weltweite jährliche Kohlendioxid-Ausstoß der derzeit mit konventionellen Kraftstoffen betriebenen Passagierflugzeuge bis 2050 wieder auf rund 1,8 Milliarden Tonnen steigen – zweieinhalbmal so viel wie noch 2018.
Kraftstoffe aus erneuerbarer Energie und eine CO2-Bespreisung
Wie sich dies verhindern ließe haben nun Forscher um Stefan Gössling von der Linnaeus Universität in Schweden untersucht. Dafür prüften sie mittels Computermodellen ein Szenario, nach dem bis zum Jahr 2050 der Passagier-Flugverkehr CO2-neutral werden könnte – durch den Einsatz von synthetischen Treibstoffen, die nicht aus fossilen Brennstoffen, sondern mittels Strom aus erneuerbaren Energien aus Vorläufersubstanzen wie beispielsweise CO2 erzeugt werden. Diese Technologien existieren bereits, unter anderem in Form des sogenannten Power-to-Liquid, sind aber noch deutlich teurer als konventionelle Flugzeug-Kraftstoffe. Um sie durchzusetzen, bräuchte man daher einen Pflichtanteil dieser alternativen Kraftstoffe – mit entsprechend höheren Kosten.
Was das kosten würde und wie viel das für das Klima bringt, haben die Wissenschaftler nun errechnet. „In unserem Szenario wird der Antrieb auf nicht-biogene, strombasierte Treibstoffe umgestellt“, erklärt Felix Creutzig vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change. Konkret rechneten die Forscher ein Szenario durch, in dem eine zehnprozentige Preiserhöhung der Flüge jeweils zu einer um zehn Prozent sinkenden Nachfrage bei den Passagieren führen würde. Beim Anteil der alternativen Treibstoffe gingen sie von einer linear auf 100 Prozent steigenden gesetzliche Einspeisequote aus. Bei der CO2-Bepreisung von einer schrittweisen Erhöhung von 100 Euro im Jahr 2022 auf 800 Euro je Tonne CO2 im Jahr 2050.
Einsparung von 27 Gigatonnen CO2 möglich – aber mit Platzproblemen
Das Ergebnis: „Bei rund 150 Prozent höheren Treibstoff- und knapp 40 Prozent höheren Gesamtkosten würde dann im Jahr 2050 trotzdem noch deutlich mehr geflogen als 2018″, berichtet Creutzig. Die globale Luftfahrt käme dann im Jahr 2050 auf rund 16 Billionen Passagierkilometer – das wäre etwa halb so viel als im business-as-usal-Szenario, aber doppelt so viel wie noch im Jahr 2018. Der Atmosphäre blieben dann im Zeitraum 2022 bis 2050 insgesamt Emissionen von etwa 27 Gigatonnen CO2 erspart. Der Einspar-Effekt wäre geringer, wenn die Politik lediglich auf die Einspeisequote und nicht ergänzend auf die CO2-Bepreisung setzt. Er wäre größer, wenn die Corona-Delle erst später als 2022 überwunden würde.
Um jedoch die auf 100 Prozent steigende Einspeisequote für synthetische Treibstoffe zu ermöglichen, braucht man ausreichend Platz für die neuen Energiequellen. Für die rund 16 Billionen Passagierkilometer in der von der Studie angenommenen Variante würden rund 320 Millionen Tonnen synthetische Treibstoffe benötigt. Die derzeit kostengünstigste und platzsparendste Möglichkeit, den dafür nötigen Strom CO2-frei zu produzieren, wären Solarkraftwerke, wie die Forscher erklären. Für diese würden aber rund 140.000 Quadratkilometer Platz benötigt werden – was rund 40 Prozent der Fläche von Deutschland oder etwa ganz Nepal entspricht.
Die Standorte für eine solche Menge an Solarzellen und damit für die Produktion des künftigen Flugzeug-Sprits könnten am ehesten in Wüstenregionen liegen, so die Wissenschaftler. „Das wirft natürlich Fragen nach einem sicheren Transport auf, und überhaupt nach den sozialen und politischen Folgen solcher Großinvestitionen“, betont Gössling. „Aber für CO2-freien Flugverkehr im Jahr 2050 muss man jetzt damit beginnen, die Produktion synthetischer Treibstoffe in großem Stil zu starten und sukzessive hochzufahren. Deshalb ist die Corona-Krise ein Zeitfenster zum Umsteuern – hin zu einem moderateren, aber einigermaßen nachhaltigen Wachstumspfad“, resümiert der Forscher.
Quelle: Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) gGmbH, Fachartikel: Environmental Research Letters, doi: 10.1088/1748-9326/abe90b