Der Grönländische Eisschild ist das zweitgrößte Eisreservoir auf unserem Planeten – und offenbar eine bislang unterschätzte Methanquelle. Eine Studie zeigt: Wenn das Eis im Sommer zu tauen beginnt, gelangt mit dem Schmelzwasser auch tonnenweise Methan an die Oberfläche. Damit trägt der Grönländische Eisschild zur Anreicherung dieses hochwirksamen Treibhausgases in der Atmosphäre bei, wie die Forscher berichten.
Methan ist ein potentes Treibhausgas: Seine Wirkung ist 20- bis 30-mal so hoch wie die von Kohlendioxid. Menschliche Aktivitäten wie die Erdgasgewinnung oder die Viehzucht tragen in erheblichem Maße zur Freisetzung dieses Klimagases in die Atmosphäre bei. Doch es gibt auch natürliche Quellen, zum Beispiel Feuchtgebiete und Sümpfe. Hier entsteht Methan, wenn Mikroorganismen im Boden organisches Material unter Ausschluss von Sauerstoff zersetzen – und wird dann nach und nach über die Wasseroberfläche freigesetzt. Daneben gelangt Methan zunehmend durch tauenden Permafrost in die Luft, der durch den Klimawandel immer weiter auf dem Rückzug ist. Eine weitere Methanquelle haben nun Wissenschaftler um Guillaume Lamarche-Gagnon von der University of Bristol ausgemacht: den Grönländischen Eisschild.
Von unter dem Eis in die Atmosphäre
Zwar war bereits bekannt, dass auch im Eis Grönlands Methan eingeschlossen ist. Unklar blieb jedoch, ob das Klimagas tatsächlich von dort in die Atmosphäre gelangt – und wenn ja, wie viel. “Es existieren bisher keine Daten zum Methan-Fußabdruck von Eisschilden”, schreibt das Forscherteam. Um dies zu ändern, untersuchten Lamarche-Gagnon und seine Kollegen das Schmelzwasser, das in den Sommermonaten aus einem rund 600 Quadratkilometer großen Bereich unter dem Eis hervorströmte. Ihre Messungen mithilfe spezieller Sensoren ergaben: Tatsächlich wird mit dem Schmelzwasserstrom kontinuierlich auch Methan an die Oberfläche transportiert: “Unter dem Eis produziertes Methan entweicht aus dem Eisschild in großen, schnell strömenden Flüssen”, berichtet Co-Autorin Jemma Wadham.
“Wir wussten, dass Methan-produzierende Mikroben in subglazialen Umgebungen vorkommen und dort womöglich eine wichtige Rolle spielen. Nun aber ist klar: Die Mikroorganismen unter dem Eis üben wahrscheinlich sogar einen Einfluss auf andere Systeme der Erde aus”, konstatiert Lamarche-Gagnon. Den Berechnungen der Wissenschaftler zufolge gelangten während der Tauperiode allein aus dem von ihrer Messstelle berücksichtigten Areal des Eisschilds mindestens sechs Tonnen Methan in die Atmosphäre. Wie viel der Eisschild insgesamt zur Methanbilanz beiträgt, lässt sich derzeit allerdings noch nicht abschätzen.
Die Antarktis im Visier
Künftig wollen sich die Forscher der Bedeutung des Grönländischen Eisschilds als Methanquelle genauer widmen – und haben gleichzeitig bereits ein weiteres Ziel im Visier: die Antarktis. Als weltweit größte permanent vereiste Fläche könnte der Antarktische Eisschild noch weitaus mehr Methan enthalten – tatsächlich haben Wissenschaftler das Klimagas dort bereits in subglazialen Seen nachgewiesen. “Unter dem Antarktischen Eisschild sind womöglich Methanmengen eingeschlossen, die die Größenordnungen unter den arktischen Eismassen deutlich übersteigen. Wie in Grönland ist es auch dort an der Zeit, robuste Daten zu generieren”, schließt Lamarche-Gagnon.
Quelle: Guillaume Lamarche-Gagnon (University of Bristol) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-018-0800-0