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Förderung fossiler Brennstoffe stärker begrenzen

Klimaschutz

Förderung fossiler Brennstoffe stärker begrenzen
Braunkohle-Tagebau
Braunkohle-Abbau im Tagebau. (Bild: claffra/ iStock)

Um das 1,5 Grad Klimaziel einzuhalten, muss die Förderung fossiler Brennstoffe weltweit stark begrenzt werden, zeigt eine aktuelle Studie. Demnach müssen fast 60 Prozent der Gas- und Ölreserven und 90 Prozent der Kohle im Boden verbleiben. Verschiedene Länder der Welt sind dabei unterschiedlich stark betroffen. Um die Produzenten dazu zu bringen, zukünftig weniger fossile Brennstoffe zu fördern, sind aus Sicht der Forscher politische Maßnahmen zur Produktionsbeschränkung und Nachfragereduzierung erforderlich.

Im Pariser Abkommen von 2015 haben die unterzeichnenden Nationen vereinbart, die globale Erwärmung auf maximal zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen und anzustreben, unter 1,5 Grad Celsius zu bleiben. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es erforderlich, den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) massiv zu reduzieren. Bislang sind fossile Brennstoffe die Basis für 81 Prozent des weltweiten Energieverbrauchs, und ihre Förderung ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Um allerdings das 1,5 Grad Klimaziel erreichen zu können, muss ein Großteil der verbliebenen Reserven an Kohle, Gas und Öl im Boden bleiben, hat ein Team um Dan Welsby vom University College London berechnet.

Förderhöhepunkt erreicht oder überschritten

„Wir haben ein globales Energiesystemmodell verwendet, um die Menge an fossilen Brennstoffen zu ermitteln, die regional und global im Boden verbleiben müsste, um die Erwärmung mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit auf 1,5 °C zu begrenzen“, berichten die Forscher. „Wir kommen zu dem Ergebnis, dass bis 2050 fast 60 Prozent des Erdöls und des fossilen Methangases sowie 90 Prozent der Kohle ungefördert bleiben müssen, um dieses Ziel einzuhalten.“

In vielen Regionen der Welt sei der Höhepunkt der Förderung fossiler Brennstoffe in diesem Szenario bereits erreicht oder überschritten. „Das bedeutet, dass ein sehr hoher Anteil der heute als wirtschaftlich angesehenen Reserven bei einem globalen 1,5 °C-Ziel nicht abgebaut werden würde“, so die Autoren. „Dies hat wichtige Auswirkungen auf die Produzenten, die darauf setzen, diese Reserven in der Zukunft zu monetarisieren, sowie auf aktuelle und potenzielle Investoren.“ Die Öl- und Gasreserven der Arktis etwa, auf die viele Investoren spekulieren, dürften beispielsweise nicht genutzt werden, wenn das Klimaziel eingehalten werden soll.

Länder unterschiedlich stark betroffen

Welsby und seine Kollegen kommen auch zu dem Ergebnis, dass einige Länder stärker betroffen sind als andere, abhängig davon, wie viele Rohstoffreserven sie haben und wie leicht diese zugänglich sind. Den größten Einfluss auf das globale Bild haben demnach die Staaten des Mittleren Ostens sowie der ehemaligen Sowjetunion. Da sich aber das Öl in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion im Vergleich zu anderen Vorkommen der Welt besonders kosteneffektiv fördern lässt, seien die nicht nutzbaren Anteile in dieser Region geringer, nur 38 Prozent, während beispielsweise in Kanada 83 Prozent der Ölvorkommen unter dem 1,5 Grad Klimaziel nicht gefördert werden sollten.

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Die weltweiten Fördermengen müssten den Forschern zufolge von nun an jährlich um rund drei Prozent zurückgehen. Auch hier gehen sie von deutlichen Unterschieden auf regionaler Ebene aus. So würde in den USA in diesem Szenario zunächst bis 2025 mehr Öl gefördert als bisher, da Importe aus anderen Ländern zurückgingen, der Verkehrssektor aber zunächst noch auf fossile Brennstoffe angewiesen sei. Bis 2050 könnte aber auch die Förderung in den USA zurückgehen, da sich weltweit Technologien durchsetzen, die ohne fossile Brennstoffe auskommen. Fossile Brennstoffe, die nach 2050 gefördert würden, würden zum größten Teil nicht mehr verbrannt, sondern nur noch als Rohstoff in der chemischen Industrie eingesetzt, was weniger CO2-intensiv ist.

Politische Maßnahmen erforderlich

Für einige Länder würde die Abkehr von fossilen Brennstoffen als Energieträger große wirtschaftliche Herausforderungen bedeuten. „Im Irak, Bahrain, Saudi-Arabien und Kuwait stammen derzeit 65 bis 85 Prozent der gesamten Einnahmen der Regierung aus fossilen Brennstoffen“, schreiben die Forscher. Wichtig sei daher ein grundlegendes Umdenken. „Die Entwicklung neuer kohlenstoffarmer Wirtschaftszweige, die für Beschäftigung und Einkommen sorgen werden, wird von entscheidender Bedeutung sein“, so Welsby und seiner Kollegen.

Dabei seien sowohl innenpolitische als auch globale Maßnahmen erforderlich. „Solche Maßnahmen dienen dazu, die Gewinnung fossiler Brennstoffe einzuschränken, und können die Streichung von Subventionen, Produktionssteuern, Strafen für die Nichteinhaltung von Vorschriften und Verbote neuer Explorationen und Produktionen umfassen“, so die Forscher. „Regierungen, die in der Vergangenheit profitiert haben, sollten die Führung übernehmen, während andere Länder, die stark von fossilen Brennstoffen abhängig sind, aber nur geringe Kapazitäten für den Übergang haben – oder solche, die auf mineralgewinnende Tätigkeiten verzichten – unterstützt werden müssen.“

Erforderliche Reduktion wahrscheinlich unterschätzt

Die Covid-19-Pandemie und die damit einhergegangenen Rückgänge des Gas- und Ölbedarfs seien in diesem Zusammenhang eine Chance. „Die Krise hat die Anfälligkeit vor allem des Öl- und Gassektors noch deutlicher gemacht und Bedenken hinsichtlich seiner künftigen Rentabilität geweckt“, schreiben die Forscher. „Diese Risiken werden durch den Trend zu kohlenstoffarmen Technologien noch verstärkt, da die Kosten für erneuerbare Energien und die Batterietechnologie weiter sinken.“

Die Forscher weisen darauf hin, dass ihre Berechnungen wahrscheinlich den tatsächlich erforderlichen Rückgang fossiler Brennstoffe noch unterschätzen und die Produktion noch schneller gedrosselt werden müsste. „Das liegt daran, dass wir in unseren Szenarien ein Kohlenstoffbudget zugrunde gelegt haben, das mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent eine Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 °C vorsieht, wobei Unsicherheiten, zum Beispiel in Bezug auf die Rückkopplungen im Erdsystem, nicht berücksichtigt sind.“ Außerdem sind sie für die Berechnungen davon ausgegangen, dass in den kommenden Jahren Technologien etabliert werden, die es ermöglichen, CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen. „Das düstere Bild, das unsere Szenarien für die globale Industrie für fossile Brennstoffe zeichnen, ist somit sehr wahrscheinlich eine Unterschätzung.“

Quelle: Dan Welsby (University College London, UK) et al., Nature, doi: 10.1038/s41586-021-03821-8

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