Die Atacamawüste in Chile ist eines der lebensfeindlichsten Gebiete der Erde. Dafür hat sie sich nun als wahre Schatzkammer für uralte Meteoriten entpuppt. Analysen von 54 dort entdeckten Steinmeteoriten zeigen, dass diese bis zu zwei Millionen Jahre alt sind. Damit gehören sie zu den ältesten Funden solcher kosmischen Brocken auf der Erdoberfläche. Das Spannende daran: Das reiche Vorkommen und der gute Erhaltungszustand der Atacama-Meteorite erlaubt es, wertvolle Rückschlüsse auf die Häufigkeit von Einschlägen in den letzten zwei Millionen Jahren zu ziehen.
Krater, Meteoritenfunde und auch Sternschnuppen zeugen davon, dass unsere Erde einem ständigen Bombardement von großen und kleinen Brocken aus dem All ausgesetzt ist. Frühe Einschläge dieser Art könnten einst die Entstehung des Lebens gefördert haben, im Laufe der Erdgeschichte lösten Asteroiden aber immer wieder auch Katastrophen und Massenaussterben aus – wie beim Ende der Dinosaurier. Um die potenzielle Bedrohung der modernen Zivilisation durch Einschläge zu ermitteln, ist es wichtig, die Einschlagsrate der Vergangenheit möglichst gut zu kennen. Doch das ist nicht ganz einfach. Denn viele alte Krater sind durch die Erosion zerstört oder unter Ablagerungen verborgen, kleinere Meteoriten zerfallen ebenfalls im Laufe der Zeit. Der Fund gut erhaltener, möglichst alter Meteoriten ist daher für die Einschlagsforschung besonders wertvoll.
Fund in der Atacamawüste
Forscher suchen vor allem dort nach Meteoriten, wo das Klima diese kosmischen Brocken konserviert – im Eis der Antarktis, aber auch in heißen und trockenen Wüsten. Allerdings sind die in diesen Regionen gefundenen Meteoriten meist noch relativ jung – weil auch die Wüsten und Eisflächen nicht sehr alt sind: “Das Einschlagsalter der Wüstenmeteoriten liegt meist im Bereich von 0 bis 30.000 Jahren und geht selten über 50.000 Jahre hinaus”, erklären Alexis Drouard von der Universität Aix-Marseille und seine Kollegen. “Antarktische Meteoriten sind im Schnitt etwas älter, aber auch ihre Einschläge liegen selten mehr als 150.000 Jahre zurück.” Das macht es schwer, die terrestrische Einschlagsrate über diese Zeitspanne hinaus zu rekonstruieren. Doch es gibt eine Wüste, die bessere Bedingungen bietet: die Atacamawüste in Chile. “Die Atacama ist mit mehr als zehn Millionen Jahren sehr alt, sagt Drouard. “Und sie beherbergt eine der höchsten Meteoritendichten weltweit.”
Drouard und sein Team haben nun 54 Steinmeteoriten näher untersucht, die in der Gegend von El Medano in der Atacama gefunden worden sind. Alle Brocken gehörten zu den gewöhnlichen Chondriten, der am häufigsten fallenden Klasse von steinigen Meteoriten. Als die Forscher ihre Funde datierten, stellten sie fest: Unter den Meteoriten aus der Atacamawüste waren überraschend alte Exemplare. “Rund 30 Prozent der Proben waren älter als eine Million Jahre, zwei Meteoriten sind sogar älter als zwei Millionen Jahre”, berichten die Wissenschaftler. Im Schnitt ermittelten sie ein Alter von 710.000 Jahren für ihre Sammlung. “Damit sind die El Medano Meteoriten die mit Abstand älteste Sammlung von Meteoriten auf der Erdoberfläche”, konstatieren Drouard und sein Team.
Einschlagsrate gleich, nicht aber die Zusammensetzung
Damit boten diese Meteoriten eine perfekte Gelegenheit, anhand ihrer Altersverteilung die Einschlagsrate im Laufe der letzten zwei Millionen Jahre zu ermitteln. “Wir haben erwartet, mehr junge Meteoriten als alte zu finden, weil diese eher durch Verwitterung verloren gehen”, erklärt Drouard. “Aber es stellte sich heraus, dass dies nicht der Fall ist: Die Altersverteilung entspricht ziemlich genau der erwarteten Akkumulation von Meteoriten im Laufe der Zeit.” Dadurch konnten die Forscher auf die Einschlagsrate schließen: “Wir haben eine Rate von 222 Meteoriten mit mehr als zehn Gramm Masse pro Quadratkilometer und Million Jahre ermittelt”, berichtet Drouard. “Damit ist der Einstrom von Meteoriten in den letzten zwei Millionen Jahren in etwa gleich geblieben – nicht aber die Zusammensetzung der Meteoriten.”
Vor einer Million Jahren bis vor etwa 500.000 Jahren nahm der Anteil der eisenhaltigen H-Chondriten zu, wie die Analysen ergaben. Die Wissenschaftler vermuten, dass dies durch einen vermehrten Einschlag von Meteoriten aus dem Hauptteil des Asteroidengürtels erklärbar ist. “Messungen der Exposition dieser Brocken gegenüber kosmischer Strahlung könnte diese Hypothese bestätigen”, erklärt die Drouard. “Denn dies kann uns etwas über die Reise dieser Meteoriten von ihren Mutterkörpern bis zu Erdoberfläche verraten.”
Quelle: Alexis Drouard (Aix-Marseille Université, Marseille) et al., Geology, doi: 10.1130/G45831.1